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Kim Phuc Phan Thi: „Napalm-Mädchen“ wird in Dresden geehrt

Sie ist das „Napalm-Mädchen“ auf dem berühmten Foto des Vietnamkriegs. Die Bekanntheit will Kim Phuc nutzen, für den Frieden zu arbeiten.


„Ich wollte sterben“, sagt Kim Phuc Phan Thi. Die zierliche Vietnamesin mit schwarzem Pagenkopf und großen dunklen Augen schluckt, als sie sich erinnert. Am 8. Juni 1972 war in ihrem Dorf Trang Bàng Feuer vom Himmel gefallen. Ein Kriegsreporter fotografierte, wie die Neunjährige nach dem Napalm-Angriff nackt und schreiend vor Schmerzen über eine Straße läuft, im Hintergrund dicker Qualm. Das später mit dem Pulitzer-Preis gekrönte Bild ging um die Welt als Symbol des Vietnamkriegs - und trug zum Umdenken in der US-Bevölkerung bei.

„Wenn ich allein bin, meide ich das Bild“, sagt die 55-Jährige. „Aber ich kann damit für den Frieden arbeiten, das ist meine Vision.“ Seit vielen Jahren engagiert sie sich für Versöhnung und kümmert sich mit einer eigenen Stiftung um Kinder aus Kriegsgebieten. Dafür bekommt sie den mit 10.000 Euro dotierten Dresdner Friedenspreis. „Mein Traum ist zu helfen, dass die Welt ein besserer Platz zum Leben ist.“ Sie reist als UN-Botschafterin um die Erde, obwohl ihre Narben manchmal wie Feuer brennen, erzählt ihre Geschichte und spricht für Kinder, „die keine Stimme haben“.

Die Vietnamesin Kim Phuc, die als Neunjährige nach einem Napalmangriff 1972 auf ihr Dorf durch ein Kriegsfoto bekannt geworden ist.
Die Vietnamesin Kim Phuc, die als Neunjährige nach einem Napalmangriff 1972 auf ihr Dorf durch ein Kriegsfoto bekannt geworden ist.
© Leonardo Muñoz/EFE/dpa

Ihre Stiftung baut seit 2002 Schulen, Waisenhäuser und medizinische Einrichtungen auf der ganzen Welt. Das jüngste Projekt: eine Bibliothek für Kinder in dem Dorf, wo sie zum „Napalm-Mädchen“ wurde. „Bildung ist so wichtig, jedes Kind muss die Chance haben, zu lernen.“ Nach dem verhängnisvollen Tag, an dem sie der Fotograf noch mit Wasser übergossen und in ein Krankenhaus gebracht hatte, schien ihr eigenes Leben zu Ende. „Im Grunde wollte ich sterben, einfach aufgeben, ich hatte keine Hoffnung auf Leben und eine Zukunft, nur Leiden.“

Vision, zu helfen

Zehn Jahre war ihr Herz voller Hass, Verbitterung und negativer Gedanken, bis sie in der Saigoner Bibliothek auf der Suche nach Antworten auf ihr Schicksal den christlichen Glauben entdeckte. „Ich bin sehr dankbar, dass ich noch lebe, dass ich aus dem Erlebten lernen, einen Weg finden konnte, anders mit Verletzungen, Schmerzen und der Quälerei umzugehen“, sagt sie. Und sie beschloss, kein Kriegsopfer mehr zu sein. „Ich bin eine Mutter, Großmutter und Überlebende, die sich für den Frieden einsetzt.“ Ihr eigenes Leben sei bestimmt von Hoffnung, Liebe und Vergebung.

„Meine Vision ist, zu helfen, damit die Welt ein besserer Platz zum Leben ist.“ Jeder könne für den Frieden arbeiten und zu einer besseren Gesellschaft beitragen. „Durch Menschen, die verbittert sind, eine negative Einstellung zu allem haben, entstehen Gewalt und Hass und das führt zu Krieg.“ Phuc glaubt fest daran, dass ihre Geschichte auch Andere umdenken lässt. „Wenn selbst ein kleines Mädchen nach so einem Erlebnis Liebe, Hoffnung und die Fähigkeit zur Vergebung lernen kann, kann es jeder“.

Zur Propaganda vorgeführt

Die Südvietnamesische Armee hatte damals fälschlicherweise Phucs Dorf mit Napalm beschossen. Die zähflüssige Brandwaffe klebt am Ziel - auch an menschlicher Haut. Viele Opfer überlebten das nicht. Phuc erlitt auf der Hälfte ihres Körpers Verbrennungen dritten Grades, 14 Monate lang war sie im Krankenhaus und wurde danach unzählige Male operiert. Bis heute unterzieht sie sich immer wieder Therapien, um ihre Narben erträglich zu machen. „Nach der letzten schmerzen sie nur noch halb so viel.“
Die kommunistischen Machthaber, die die Macht des Bildes erkannten, hatten sie als Kriegsopfer zur Propaganda vorgeführt. Nach einer Behandlung in Deutschland studierte Phuc auf Kuba, erst Pharmazie, dann wegen der Chemikalien Sprachen, und lernte ihren Mann kennen. „Ich habe nicht geglaubt, dass mich ein Mann liebt und heiratet. Ich dachte, ich würde nie ein normales Leben führen.“ Mit ihm ging sie nach Kanada ins Asyl, inzwischen ist es ihre Heimat. „Da kann ich frei leben und fühle mich sicher.“ Mit Vietnam, wo ihre Geschwister sind, verbindet sie nur die schreckliche Kindheit. „Aber meine Herkunft vergesse ich nicht.“ (dpa)

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