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Gibt sich kämpferisch: SPD-Chefin Andrea Nahles.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

SPD verabschiedet Programm zur Europawahl: Nahles attackiert Hetzer – und Kramp-Karrenbauer

Es ist die richtungweisende SPD-Veranstaltung für die Wahl im Mai: Beim Europakonvent greift Parteichefin Nahles Populisten an, aber auch die CDU-Vorsitzende.

Die SPD zieht mit der Forderung nach Mindestlöhnen in allen EU-Staaten und anderen sozialen Forderungen in den Europawahlkampf. 200 Delegierte beschlossen auf einem Parteikonvent am Samstag in Berlin einstimmig das Wahlprogramm unter dem Titel: „Kommt zusammen und macht Europa stark“.  In den einzelnen EU-Ländern sollen Mindestlöhne von 60 Prozent des mittleren Lohns eingeführt werden. In Deutschland fordert die SPD eine Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 12 Euro. Soziale Grundrechte sollen verbindlich werden. Bezahlt werden soll dies unter anderem dadurch, dass es gegen den Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern Mindeststeuersätze geben soll. Für Konzerne wie Google, Apple oder Amazon fordert die SPD eine Digitalsteuer. Weitere Schwerpunkte setzt die Partei bei Umwelt und Frieden - so müsse sich Europa weiter für Abrüstung einsetzen.

Mit Attacken gegen Rechtspopulisten, aber auch gegen den Koalitionspartner schwor die SPD-Spitze die Partei auf den Europawahlkampf ein. Parteichefin Andrea Nahles warnte auf dem Parteikonvent vor einem Erstarken von "Hetzern und Ewiggestrigen". Der Zusammenhalt in Europa werde allerdings auch gefährdet von "Lauen" wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, betonte, die Abstimmung sei eine "Richtungsentscheidung".

Nahles erinnerte in ihrer Rede vor den rund 200 Delegierten und Funktionären in Berlin an das europäische Zusammenwachsen in den vergangenen Jahrzehnten. Nun gebe es Leute, "die wollen das Rad wieder zurückdrehen" hin zu mehr Nationalstaatlichkeit. Aber "wir lassen uns dieses Europa nicht kaputtreden" von den Rechtspopulisten, sagte Nahles. Namentlich erwähnte sie den AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, den italienischen Innenminister Matteo Salvini und den ungarischen Regierungschef Viktor Orban. "Hetzer und Ewiggestrige" würden nicht durchkommen - "unsere Werte sind stärker", rief Nahles unter dem Applaus der Anwesenden.

Allerdings werde der Zusammenhalt in Europa nicht nur von Rechtspopulisten gefährdet sondern auch von den "Lauen". Damit gemeint seien diejenigen, "die Europa vor allem durch die innenpolitische Brille betrachten", etwa die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer. "Wir brauchen nicht die Lauen", sondern "Europäerinnen und Europäer mit Herzblut", sagte Nahles. Zu Letzteren zählten die SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Bundesjustizministerin Barley und Udo Bullmann.

Abschließende Beratung über das Europawahlprogramm

Barley sagte, ihrer Wahrnehmung nach seien die Menschen "total bereit" für die Europawahl. Den Bürgern sei bewusst, dass es hier um eine "Richtungsentscheidung" gehe. Ein Grund dafür sei der Brexit. Dieser habe gezeigt, was passiert, "wenn man Nationalisten auf den Leim geht" und sich in eine "nationale Sackgasse" begebe.

Viele Bürger fragten allerdings auch, was Europa eigentlich mit ihnen zu tun habe. "Unsere Antwort ist das soziale Europa", sagte Barley. Auch sie attackierte Kramp-Karrenbauer: Die CDU-Chefin "sagt Nein zu einem Europa der Bürger" und wolle stattdessen "ein Europa der Banken". "Unser Europa ist ein anderes", unterstrich Barley und verwies auf den Wahlprogrammentwurf der SPD, der unter anderem europaweit einheitliche Regeln für Mindestlöhne und für die Unternehmensbesteuerung vorsieht.

Die abschließende Beratung über das Europawahlprogramm steht im Zentrum des Parteikonvents in Berlin. Als erstes votierten die Teilnehmer mehrheitlich für eine Ergänzung, die unter anderem eine europaweite Finanztransaktionssteuer, ein schärferes Vorgehen gehen Steuervermeidung und strengere Auflagen gegen Digitalkonzerne wie Google und Facebook fordert.

Die SPD will sich zudem bei der geplanten europaweiten Urheberrechtsreform gegen umstrittene Filter für Internetportale wie Youtube stemmen. Das Parteikonvent beschloss bei einer Gegenstimme, Anträge der SPD-Gruppe im Europaparlament zu unterstützen, die auf eine Verhinderung sogenannter Uploadfilter zielen. Die SPD stehe zwar an der Seite der Urheber, Kreativen und Künstler, doch setze man sich auch für die Freiheitsrechte in digitaler Zeit ein. Statt Videos und Musik herauszufiltern, sollten sie gemäß des Urheberrechts bezahlt werden. In der SPD geht man von einem geschlossenen Nein der eigenen Abgeordneten im Europaparlament zu dem umstrittenen Artikel 13 bei der Abstimmung an diesem Dienstag aus. 
Von ihrem Ergebnis bei der Europawahl 2014 mit 27,3 Prozent sind die Sozialdemokraten in Umfragen derzeit weit entfernt. Verschiedene Erhebungen sagten ihnen zuletzt etwa 16 bis 18 Prozent voraus. (AFP, dpa)

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