Donbass: Nach Ermordung von Separatistenchef gespannte Lage in abtrünniger Republik
Moskau und Kiew weisen sich gegenseitig die Schuld am Anschlag auf den Führer der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" zu.
Taschentücher und tränende Augen – diese Motive beherrschen die offiziellen Bilder aus der selbsternannten pro-russischen „Volksrepublik Donezk“ (DNR) nach dem Bombenanschlag auf deren Führer und Premierminister Alexander Sachartschenko. Vier Stunden lang war dessen Sarg am Sonntag auf einer Artillerie-Lafette durch die „Hauptstadt“ Donezk gefahren worden. 200.000 Bürger sollen laut der amtlichen Nachrichtenagentur DAN dem Trauerzug emotional hoch berührt beigewohnt haben. Neben Sachartschenkos Sarg humpelte im Soldatenhemd mit einem Kopfverband dessen enger Vertrauter, Finanzminister und „Vize-Premier“ Alexander Timofejew, der den Bombenanschlag vom Freitagabend nur knapp überlebt hatte.
Der 42-jährige Separatistenführer Sachartschenko war am Freitagabend in einem angesagten Innenstadt- Cafe einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen. Mit dem Republikführer in den Tod gerissen wurde laut DAN auch dessen Leibwächter. Zwölf weitere Gäste wurden teils schwer verletzt, darunter auch Timofejew.
Der Anschlag kann nur im engsten Kreis Sachartschenkos geplant worden sein, denn der Sprengsatz war in einer Tischlampe versteckt, genau dort, wo sich Sachartschenko an jenem Abend hinsetzte. Die Bombe muss mit einem Handy ganz in der Nähe ferngezündet worden sein. Pikanterweise gehört das Cafe Sachartschenkos Chef-Leibwächter.
In Donezk und Russland heißt es sofort, Kiew sei verantwortlich
Dennoch hieß es in Donezk und in Russland, der Schutzmacht der pro-russischen Donezker Separatisten, am Freitagabend sofort, dass Kiew hinter dem Bombenanschlag stecke. Keine zwei Stunden nach der tödlichen Explosion vermeldete das Innenministerium der „Volksrepublik Donezk“ die Festnahme, „mehrerer ukrainischer Diversanten“. Sie alle seien bereits geständig, hieß es. Auffallend schnell war auch Putin mit einer schriftlichen Erklärung zur Stelle, in der Kiew unverblümt der Provokation bezichtigt wurde. Der Ukraine liege daran, die politische Lösung des Konflikts im Donbass zu verhindern, einen Dialog mit der dortigen Bevölkerung zu torpedieren und die Situation zu destabilisieren, behauptete Putin.
Kiew widersprach den Anschuldigungen umgehend. Der ukrainische Geheimdienst SBU bestätigte die Ermordung Sachartschenkos zwar schnell, distanzierte sich jedoch davon, irgendetwas damit zu tun zu haben. In Kiew hieß es am Wochenende, entweder sei der Separatistenchef internen Abrechnungen zum Opfer gefallen oder Moskau habe sich seiner entledigen wollen.
Militär in Donezk prophezeit Angriff
Zum interimistischen „Republikchef“ wurde in Donezk noch am Freitagabend Sachartschenkos Stellvertreter Dmitri Trapesnikow ernannt. Wie lange der ehemalige Manager des Fußballclubs Schachtjor Donezk im Amt bleibt, ist unklar. In der DNR tobt seit Sommer ein Machtkampf um die Führung der Separatistenrepublik. Der Tod Sachartschenkos würde gerächt, ließ Trapesnikow inzwischen verlauten.
Scharfe Kontrollen an den Grenzübergängen
Am Sonntag eröffnete der Donezker Generalstabschef Eduard Bassurin den Einwohnern des pro-russischen Staates, die Kiewer Regierungstruppen würden am 14. September einen Angriff auf die DNR planen. Gleichzeitig berichtete die amtliche Nachrichtenagentur DAN, nach den angeblich bereits gefassten Diversanten werde weiterhin mit großem Druck gefahndet. An den Grenzübergängen zu Russland und dem ukrainischen Regierungsgebiet wurden die Kontrollen deswegen massiv verschärft. Laut Angaben aus Kiew brach der Reiseverkehr aus der DNR in die Regierungsgebiete am Sonntag fast vollständig zusammen. Zehnmal weniger Personen würden die Grenze überqueren hieß es. Gleichzeitig sollen laut Berichten aus Kiew auffallend viele Parteigänger Sachartschenkos die DNR verlassen.
Putin hält weitere Verhandlungen für sinnlos
"In Donezk herrscht Angst und Chaos", berichteten ukrainische Online-Medien. Dies mag übertrieben sein. Dennoch ist im Moment unklar, wie es im Donbass weitergeht. Der seit vier Jahren amtierende Sachartschenko galt trotz mehrerer Anschlagsversuche als starker Mann der pro-russischen Separatistengebiete Auch hatte er die immer wieder gebrochenen Minsker Friedensverträge unterzeichnet. Verhandlungen über deren Implementierung und auch weitere Treffen im Normandie-Format (Russland, Ukraine, Deutschland, Frankreich) hätten nach dieser Provokation keinen Sinn mehr, sagte Putin. An der rund 400 Kilometer langen Frontlinie blieb es am Wochenende verhältnismäßig ruhig.
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