Nuklear-Abkommen mit Iran: Nach dem Feilschen ist vor dem Feilschen
Die USA, Deutschland und ihre Partner einigten sich auf ein womöglich bahnbrechendes Nuklear-Abkommen mit dem Iran. Aber es warten noch Probleme. Kritik gibt es aus Israel.
Die Vereinbarung könnte entscheidend dazu beitragen, dem Iran den Zugriff auf Atombomben unmöglich zu machen – zumindest für einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren. Die wichtigsten Fragen um Abkommen im Überblick.
Was passiert jetzt?
Während die Delegationschefs der USA, Chinas, Russlands, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands in Lausanne ihren Erfolg genossen, tickte schon die Uhr für die nächsten Gespräche: "Wir haben die Grundlagen gelegt, das abschließende Abkommen auszuhandeln", betonte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Dieses abschließende Abkommen soll bis 30. Juni stehen und den Schlusspunkt nach zwölf Jahren nervenaufreibender Atom-Verhandlungen mit dem Iran bilden. Das Finale wird nach den Plänen der Sechsergruppe nur noch Formsache sein: Der UN-Sicherheitsrat soll das Gesamtabkommen per Resolution absegnen – somit wird es völkerrechtlich verbindlich. Vorher aber müssen die Unterhändler der Sechsergruppe und des Irans alle technischen Details zur Umsetzung der Lausanne-Übereinkunft präzise festlegen. Lausanne steckte nur den Rahmen ab, in dem es zu einem drastischen Abbau des iranischen Nuklearprogramms und einem Ende der internationalen Sanktionen gegen Teheran kommen soll.
Nicht zuletzt deshalb warnte Steinmeier vor einer verfrühten "Jubelstimmung". Und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif machte klar, dass die anstehenden Gespräche komplexer und komplizierter werden könnten als die bisherigen – wenn auch in höflicher Umschreibung: "Wir sind noch nicht da wo wir sein wollen", sagte er. Westliche Unterhändler, die vorher acht Tage und Nächte im Hotel Beau Rivage-Palace in Lausanne mit den Iranern um die Eckpunkte rangen, wählten drastischere Worte: "Die letzte Phase der Verhandlungen wird besonders hart, die Iraner verschenken nichts."
Welche Rolle spielt Deutschland?
In der Schlussrunde wird es auch wieder auf den Input der Deutschen ankommen. Außenminister Steinmeier nimmt die Atomverhandlungen sehr ernst: Er verschob Reisen und Termine, um in Lausanne ein gutes Ende mit herbeizuführen. Nur die beiden wichtigsten Verhandlungspartner, US-Außenminister John Kerry und Irans Außenamtschef Sarif verbrachten mehr Zeit in der Stadt am Genfer See. Das Engagement festigte das Vertrauen, das die Iraner ohnehin zu den Deutschen hegen. Zudem wird in den kommenden Monaten das technische Knowhow aus der Bundesrepublik wieder gefragt sein: Schon in Lausanne zeigten deutsche Zentrifugen-Experten Lösungen bei Fragen der Anreicherung auf.
Was wurde vereinbart?
Vorgesehen ist, dass in den ersten zehn Jahren mehr als zwei Drittel der bestehenden iranischen Kapazitäten zur Urananreicherung unter permanenter Aufsicht stillgelegt werden. Über 95 Prozent des bereits angereicherten Urans müssen verdünnt oder ausgeführt werden. Zudem verpflichten sich die Iraner, für mindestens 15 Jahre Uran nicht über 3,67 Grad anzureichern – damit liegen sie weit unter waffenfähigem Uran mit einem Anreicherungsgrad von über 90 Grad. Im Gegenzug soll der Westen die empfindlichen Wirtschafsstrafen gegen den Iran phasenweise beenden – damit wird die Kernforderung des Irans erfüllt. Außenminister Sarif sprach dann auch von einem Abschluss mit "zwei Gewinnern".
Was passiert, wenn der Iran die Absprachen bricht?
Die Vereinbarungen sollen sicherstellen, dass sich die sogenannte Ausbruchszeit für die Iraner auf etwa ein Jahr erhöht, erklärte US-Außenminister Kerry. Bislang habe die Ausbruchszeit bei zwei bis drei Monaten gelegen. Unter Ausbruchszeit verstehen Experten die Zeitspanne für die Produktion von genügend spaltbarem Material für den Bau einer Bombe. Zwölf Monate würden den USA und ihren Partnern genügend Zeit geben, um auf mögliche atomare Ambitionen der Iraner mit Härte zu reagieren. Internationale Sanktionen würden "umgehend wieder in Kraft treten", hielt Kerry fest.
Was bekommt die iranische Regierung?
Der Westen will die scharfen internationalen Sanktionen gegen den Iran aufheben. Die Sanktionen führen zu massiven Schäden für den Iran. Laut Schätzungen geht es um mehrere Milliarden US-Dollar – pro Monat. Hart treffen die Handelsverbote den Öl- und Gassektor des Landes. Bald könnten eingefrorene Gelder der Iraner wieder fließen, die die Kooperation mit westlichen Firmen soll wieder erlaubt sei und das Land kann wieder uneingeschränkt Gas- und Öl anbieten und verkaufen. Auf den Fluren des Hotels Beau Rivage-Palace hieß es dazu: Nach dem Aus der Strafen käme "richtig Geld in die Kasse" der Iraner.
Wie reagiert Israel?
Das Ergebnis der Verhandlungen ist beim offiziellen Israel auf kompromisslose Ablehnung gestoßen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief am Freitagmittag, unmittelbar vor Beginn des jüdischen Pessachfestes, eine außerordentliche Sitzung des Sicherheitskabinetts ein, das sich wiederum einstimmig gegen das Abkommen stellte. "Das Abkommen bereitet Teheran den Weg zur Bombe, unsere Existenz ist nicht verhandelbar", sagte Netanjahu nach der Sitzung. "Dieser Deal schließt nicht eine einzige nukleare Anlage in Iran, zerstört keine einzige Zentrifuge." Netanjahu warnte, dass das Abkommen es Teheran in wenigen Jahren ermögliche, alle Beschränkungen in Bezug auf atomare Aufrüstung zu überwinden. Israel könne sich nicht damit abfinden, dass der Iran, der Israels Vernichtung zum Ziele habe, eine Atombombe herstellen könnte. Der ehemalige Außenminister Silvan Schalom fordert weiteren aktiven Widerstand der Regierung gegen das Rahmenabkommen, denn "vielleicht wird es letztlich doch nicht unterzeichnet werden. Wir müssen alles unternehmen, damit dieses Abkommen nicht kommt." Netanjahus Vorgänger als Regierungschef, der ehemalige Armee-Oberbefehlshaber Ehud Barak, wertete das Abkommen als "schlecht, aber nicht so schlimm", wie es zuvor von der Regierung angekündigt worden sei. Man habe erheblich größere amerikanischen Konzessionen befürchtet, als sie nun im Abkommen fixiert sind.
Wie reagiert Moskau?
Moskau ist zufrieden mit dem Ausgang der Verhandlungen in Lausanne. Russland, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, empfinde "Genugtuung" darüber, dass am Ende des Verhandlungsmarathons Lösungen für Schlüsselparameter der künftigen Vereinbarungen gefunden wurden und dramatisiere die noch bestehenden Differenzen nicht. Der Umfang der bereits erzielten Abmachungen sei größer als das, was noch abgestimmt werden müsse, sagte er der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Moskau, das derzeit selbst Erfahrungen mit Isolation und Embargo macht, möchte möglichst schnell zurück zur Normalität. Darauf drängen vor allem russische Rüstungsschmieden. Schon beim Treffen der Verteidigungsminister in Teheran Ende Januar hatten sich beide Seiten daher über die Lieferung von gleichwertigem Ersatz für das Luftabwehrsystem S-300 verständigt, Ein 2007 unterzeichnetes Abkommen mit Volumen von fast vier Millionen US-Dollar hatte Moskau 2010 mit Rücksicht auf Israel auf Eis gelegt. Im November 2014 bekam Moskau auch den Zuschlag für Ausbau des iranischen Kernkraftwerks in Buschehr am Golf. Beide Seiten unterzeichneten zudem eine Absichtserklärung zum Bau neuer Meiler. Dazu kommen ambitionierte gemeinsame Energie- und Verkehrsprojekte. So hoffen die russischen Staatsbahnen auf den Zuschlag beim Ausbau und der Modernisierung des iranischen Schienennetzes. Entsprechende Absichtserklärungen für Vorhaben im Wert von jährlich über 2,5 Milliarden US-Dollar wurden bereits unterzeichnet.
Größter Risikofaktor für die russisch-iranische Freundschaft ist indes das Öl. Der Preisverfall macht Russlands Wirtschaft und den Staatshaushalt seit Monaten schwer zu schaffen. Fallen die Sanktionen gegen Teheran, fallen auch die Ölpreise weiter: Die Islamische Republik verfügt über die weltweit viertgrößten Vorkommen.
Was sagt der Nachbar Türkei?
Die Türkei hat die Vereinbarung zwischen den Weltmächten und Iran über die Begrenzung des iranischen Atomprogramms begrüßt. Er hoffe auf weitere Zugeständnisse der Iraner bis zum Abschluss des geplanten formellen Abkommens Ende Juni, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Er verwies auf türkische Bemühungen zur Beilegung des Atomstreits mit Teheran vor fünf Jahren. Damals sei den Iranern mehr Kompromisse abgerungen worden als diesmals, sagte Cavusoglu. Bis Juni solle versucht werden, den damaligen Stand zu erreichen.
Für die Türkei istdie Einigung von Lausanne aber ein zweischneidiges Schwert. Zum einen ist Ankara erleichtert, dass der östliche Nachbar nun zumindest vorerst am Bau einer Atombombe gehindert wird. Zudem hofft die türkische Wirtschaft auf Aufträge aus dem Iran, sobald die UN-Sanktionen gegen das Land gelockert werden. Doch ein Iran, der international wieder hoffähig wird und wirtschaftlich erstarkt, bringt für die Türkei auch Probleme mit sich. Schon jetzt ist Ankara beunruhigt über Bemühungen der Iraner, ihren Einfluss im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen auszuweiten. Falls sich die USA und der Iran als Folge des Deals einander annähern sollten, würde dies den Iran aufwerten und das Gewicht der Türkei in der Region verringern. Irans Politik im Jemen wird von Präsident Recep Tayyip Erdogan scharf kritisiert.