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Ministerpräsident Netanjahu traut dem Iran nicht.
© Debbie Hill/dpa
Update

Einigung im Atomstreit mit Iran: Israel: So wird ein "schrecklicher Krieg" wahrscheinlicher

Für Ministerpräsident Netanjahu ist klar: Ein Abkommen mit dem Iran gefährdet die Existenz Israels. Zuvor hatte die Islamische Republik nach harten Verhandlungen tiefen Einschnitten in ihrem Nuklearprogramm zugestimmt.

Die Reaktion folgte prompt: Israel hat die Einigung im Atomstreit mit dem Iran scharf kritisiert. Die Existenz Israels sei dadurch in Gefahr, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einer Mitteilung zufolge nach einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama. Die Beschlüsse legitimierten das iranische Atomprogramm und würden zu mehr Aggression im Nahen Osten führen. Letztlich werde ein "schrecklicher Krieg" wahrscheinlicher. Netanjahu will das Thema an diesem Freitag mit seinen Sicherheitsexperten erörtern. In der Vergangenheit hatte der jüdische Staat immer wieder betont, notfalls auch im Alleingang zu handeln, um zu verhindern, dass der verfeindete Iran eine Atombombe baut. "Die militärische Option war immer auf dem Tisch", sagte der für Militärplanungen zuständige General Nimrod Sheffer der Zeitung "Hayom". Dies habe sich nicht geändert.

Wenige Stunden zuvor hatten die Diplomaten in Lausanne einen Durchbruch im Atomkonflikt mit dem Iran verkündet. Am Donnerstagabend reihten sich John Kerry, Frank-Walter Steinmeier, Dschawad Sarif und die anderen Delegationschefs auf einem eilig mit Fahnen geschmückten Podest auf. Sie wirkten abgekämpft - und erleichtert. Teheran hat sich mit den USA, China, Frankreich, Großbritannien, Russland und Deutschland auf eine politische Vereinbarung geeinigt. Sie soll dem Iran den Griff nach Atombomben unmöglich machen.

Das Abkommen von Lausanne könnte eine Entschärfung des Atomkonflikts mit dem Iran einleiten, der die Welt seit Jahren in Atem hält. Das Mullah-Regime akzeptierte tiefe Einschnitte und harte Kontrollen, im Gegenzug sollen die internationalen Sanktionen aufgehoben werden.

Noch keine "Jubelstimmung"

"Wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht", sagte US-Außenminister Kerry. Bundesaußenminister Steinmeier sagte: "Wir sind durch. Das ist gut." Allerdings sei es zu früh für Jubelstimmung. Man habe die Grundlage gelegt, um ein abschließendes Abkommen mit dem Iran zu vereinbaren. Diese Gesamtübereinkunft mit allen technischen Details soll bis Ende Juni stehen. Auch Irans Außenminister Sarif gab sich zufrieden und betonte, sein Land nutze die Atomkraft nur friedlich.

Der britische Außenminister Philip Hammond, US-Außenminister John Kerry, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini and Irans Außenminister Dschawad Sarif (von links nach rechts)
Der britische Außenminister Philip Hammond, US-Außenminister John Kerry, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini and Irans Außenminister Dschawad Sarif (von links nach rechts)
© EPA/Jean-Christophe Bott

Am Donnerstag vergangener Woche waren Kerry und Sarif mit ihren Delegationen in Lausanne eingetroffen. Dann stießen die Außenminister Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und Deutschlands hinzu. Im Edelhotel Beau Rivage-Palace mit Blick auf den Genfer See dauerten das Feilschen jeweils bis tief in die Nacht. Eine selbst gesetzte Frist für ein Abkommen wurde gerissen.

Seit Jahrzehnten hatte kein US-Außenminister mehr so viel Zeit am Stück im Ausland verbracht, um über ein Thema zu verhandeln. Allein daraus lässt sich die Bedeutung des Atomkonflikts für die Obama-Administration ablesen. "Es ist inakzeptabel, dass Iran nukleare Waffen hat", machte der US-Präsident mehrfach klar.

Gleichgewicht der Mächte in Gefahr

Falls der islamische Gottesstaat sich tatsächlich mit Atomwaffen ausrüstet, würde sich die Machtbalance in der Konfliktregion Naher und Mittlerer Osten zugunsten Teherans verschieben, ein zerstörerisches atomares Wettrüsten wäre möglicherweise die Folge. Zudem warnen Experten vor dem Szenario eines heißen Konflikts einer neuen Atommacht Iran mit der etablierten Atommacht Israel.

Die Vereinbarungen von Lausanne treten erst mit dem Gesamtabkommen in Kraft, das bis Ende Juni unter Dach und Fach gebracht werden soll. Laut Steinmeier verpflichtete sich der Iran in Lausanne, sein nukleares Anreicherungsprogramm bis zu 25 Jahre einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen zu unterwerfen. In den ersten zehn Jahren müssten mehr als zwei Drittel der bestehenden Anreicherungskapazitäten unter permanenter Aufsicht stillgelegt werden. Die Iraner dürfen nur noch in ihrer Anlage in Natanz Uran anreichern.

Mehr als 95 Prozent des angereicherten Urans müsse verdünnt oder außer Landes geführt werden. Hoch angereichertes Uran dient dem Bau der Bombe. Steinmeier betonte weiter: „Anreicherung sowie Forschung und Entwicklung sind in den Jahren danach nur in engen Grenzen und unter strikter Kontrolle erlaubt.“

Strenge Überwachung vereinbart

Weiter solle gelten: Alle nuklearen Aktivitäten des Iran unterliegen für bis zu 25 Jahren einer strenger Überwachung durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEO). Grundlage für das Überwachungsregime soll das ein Zusatzprotokoll sein, das die Iraner ratifizieren müssen. Das Protokoll erlaubt den IAEO-Kontrolleuren sehr kurzfristig anberaumte Inspektionen, sie dürfen sich in allen Anlagen frei bewegen. Modernste Überwachungstechnologie soll Veränderungen in den Einrichtungen sofort an die die IAEO-Zentrale in Wien melden. "Bei geringsten Verdachtsmomenten leuchtet in der IAEO-Zentrale die rote Lampe an", sagte ein Unterhändler. Steinmeier unterstrich: "Das mit Iran vereinbarte Transparenzregime ist beispiellos in Intensität und Laufzeit."

Was aber passiert, wenn Irans Regierung die Vereinbarung bricht und sich doch anschickt, spaltbares Material für Atombomben herzustellen? Die Vereinbarungen sollen sicherstellen, dass sich die Ausbruchszeit - die Zeitspanne für die Produktion von genügend spaltbarem Material für den Bau einer Bombe - für die Iraner auf etwa ein Jahr erhöht, sagte US-Außenmister Kerry. Bislang habe die Ausbruchszeit bei zwei bis drei Monaten gelegen. Zwölf Monate würden den USA und ihren Partnern genügend Zeit geben, um auf mögliche atomare Ambitionen der Iraner mit Härte zu reagieren. Internationale Sanktionen würden "umgehend wieder in Kraft treten" hielt Kerry fest.

Iran erwartet wieder Geld in der Kasse

Was aber erhalten die Iraner im Gegenzug? Die Gruppe P5 plus 1, die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland, wollen die scharfen internationalen Sanktionen gegen den Iran aufheben. Die Vereinten Nationen, die USA und die Europäische Union hatten die Strafen in den Bereichen Wirtschaft, Finanz und Rüstung eingeführt, weil der Iran jahrelang in der Nuklearfrage nicht kooperierte und sich um Anordnungen des UN-Sicherheitsrates nicht scherte. Die Sanktionen führen zu massiven Schäden für den Iran. Laut Schätzungen geht es um mehrere Milliarden US-Dollar - pro Monat. Hart treffen die Handelsverbote den Öl- und Gassektor des Landes.

Bald könnten eingefrorene Gelder der Iraner wieder fließen, die Kooperation mit westlichen Firmen soll wieder erlaubt sei und das Land kann wieder uneingeschränkt Gas und Öl anbieten und verkaufen. Auf den Fluren des Hotels Beau Rivage-Palace hieß es dazu: Nach dem Aus der Strafen käme "richtig Geld in die Kasse" der Iraner.

Symbolischer Ort abgelehnt

Das Abkommen wurde nicht in dem Hotel, dem Konferenzort, sondern in der Aula der Polytechnischen Hochschule Lausanne bekannt gegeben. Zwar gehört das Palace zu den teuersten Hotels der Welt. Die Edelherberge bietet aber nicht die geeigneten Räumlichkeiten für eine dreistellige Schar von Politikern, Diplomaten, Sicherheitskräften und Journalisten.

Die Iraner hatten bis zuletzt vergeblich auf das Gebäude der Vereinten Nationen in Genf als Schauplatz gedrängt. Teheran wollte so die Demütigung durch die UN-Sanktionen auch symbolisch wieder wettmachen. Der Sicherheitsrat hatte im UN-Hauptquartier in New York den Iranern schrittweise die Strafen auferlegt.

Jan Dirk Herbermann

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