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Schutt und Asche. Als die Trauerhalle in Sanaa bombardiert wurde, sollen sich bis zu 1000 Menschen dort aufgehalten haben. Mindestens 140 starben.
© /Khaled Abdullah/Reuters

Krieg im Jemen: Nach Angriff auf Trauerfeier: Saudi-Arabien in Bedrängnis

Märkte oder Hochzeiten sind immer wieder Ziel saudischer Angriffe im Jemen. Mit dem Bombardement einer Trauerfeier erreicht die Gewalt einen neuen Höhepunkt. Sogar der enge Verbündete USA findet klare Worte.

In der Regel halten sich die USA mit allzu offener Kritik am Verbündeten Saudi-Arabien zurück. Doch der verheerende Luftangriff auf eine Trauerfeier in Sanaa mit bis zu 140 Toten hat Washington sichtlich auf- und erschreckt. Das legt zumindest eine Stellungnahme des Nationalen Sicherheitsrats (NSC) nahe, laut der die US-Regierung die Schuld für die Tragödie wohl bei der saudi-arabisch geführten Militärallianz sieht. Die Sicherheitskooperation mit dem sunnitischen Königshaus sei „kein Blankoscheck“ und die Berichte über den Vorfall „zutiefst verstörend“.

NSC-Sprecher Ned Price ging sogar noch einen Schritt weiter. „Wir haben eine Überprüfung unserer bereits deutlich reduzierten Hilfe für das saudiarabisch geführte Bündnis eingeleitet. Wir sind bereit, unsere Unterstützung anzupassen, um den Prinzipien, Werten und Interessen der USA besser gerecht zu werden.“ Die Ankündigung zeigt Wirkung. Die Herrscher in Riad kündigten an, den Angriff zu untersuchen – mit Experten aus den USA.

Gegen die aufständischen Huthi

Die Bombardierung der Trauergesellschaft in Jemens Hauptstadt war eine der schlimmsten seit Beginn des Krieges. Unter den Toten und mehr als 500 Verletzten sollen auch ranghohe Funktionäre der schiitischen Huthi-Miliz sein, die Sanaa kontrolliert. Was dafür spricht, dass die Kampfjets Jagd auf Vertreter der Aufständischen machten. Im Jemen kämpfen seit September 2014 Truppen des sunnitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi (der inzwischen im Exil lebt) gegen vom Iran unterstützte schiitische Huthi-Rebellen, die dem ehemaligen Staatschef Ali Abdallah Saleh die Treue halten.

Seit März 2015 fliegt eine von Saudi-Arabien angeführte arabische Allianz zum Teil massive Luftangriffe auf die Rebellen. Dabei werden allerdings immer wieder auch Schulen oder Märkte getroffen und Unbeteiligte getötet. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat vor Kurzem ihr Personal aus dem Norden des Landes abgezogen – wegen „willkürlicher Bombardements“.

Friedensgespräche gescheitert

Doch trotz ihres militärischen Einsatzes kann die saudische Koalition bisher keine nennenswerten Erfolge aufweisen. Die Ankündigung zu Beginn der Offensive, die Huthis würden innerhalb weniger Wochen ausgeschaltet, hat sich vielmehr als eklatanter Trugschluss erwiesen. Beobachter sprechen inzwischen sogar von einem Debakel für die Golfmonarchie. Von Stabilität ist der Jemen weit entfernt. Und die Huthi konnten nicht ernsthaft in Bedrängnis gebracht werden. Friedensgespräche sind immer wieder gescheitert. Dennoch verteidigt Saudi-Arabien nach wie vor seine Intervention. Man habe nicht zulassen können, dass eine Miliz den Jemen destabilisiert und die Macht an sich reißt, sagte Brigadegeneral Ahme Al Asiri Ende September „Spiegel Online. „Wir mussten verhindern, dass der Jemen ein zweites Libyen wird.“ Es gehe darum, der legitimen jemenitischen Regierung – gemeint ist Präsident Hadi – und der Armee zu helfen.

Weder Ärzte noch Medikamente

Die Leidtragenden des Konflikts sind die Jemeniten. Die Kämpfe haben bereits Schätzungen zufolge mehr als 10.000 Menschen das Leben gekostet, Millionen haben ihre Heimat verloren. Trinkwasser und Lebensmittel sind extrem rare Güter. Das Gesundheitssystem ist weitgehend zusammengebrochen. Es gibt weder genügend Ärzte noch Medikamente. Die wenigen Krankenhäuser, die noch funktionieren, werden immer wieder angegriffen – ein klarer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz fordern deshalb immer wieder von den Vereinten Nationen, Attacken auf Kliniken und medizinisches Personal zu unterbinden. Der UN-Sicherheitsrat habe „schlicht versagt“ bei dem Versuch, die Lage in Syrien, im Jemen und anderswo zu ändern, sagte jüngst die Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Joanne Liu.

Hungernde Kinder

Der Jemen zählt schon lange zu den ärmsten Ländern der Welt. Schon vor dem Krieg waren große Teile der Bevölkerung auf Unterstützung angewiesen – vor allem, weil sie hungern. Erst vor Kurzem beklagte die Organisation Save the Children die wachsende Zahl mangelernährter Säuglinge und Kinder. „Die grauenerregenden Bilder von zu Tode hungernden Kindern, die aus dem Jemen um die Welt gehen, erinnern an das, was wir in Äthiopien vor 30 Jahren gesehen haben“, sagte der Länderdirektor des Kinderhilfswerks, Edward Santiago.

Aber der Krieg kennt auch Gewinner. Das Chaos weiß etwa „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ zu nutzen. Der Ableger der Terrororganisation zählt zu den gefährlichsten Dschihadistengruppen und konnte seinen Machtbereich nochmals ausdehnen. In den vergangenen Monaten ist es nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes zudem dem „Islamischen Staat“ gelungen, seinen Einfluss im Jemen zu vergrößern. (mit dpa)

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