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Das Bremer Rathaus.
© Ingo Wagner/dpa

Bremen und der Rest der Republik: Muss es diesen Stadtstaat geben?

Wenn Bremen wählt, schwingt immer eine Frage mit: Warum ist eine mittlere Großstadt zugleich ein Bundesland? Brauchen wir nicht eine Länderneugliederung? Vielleicht. Aber das eigentliche Problem im deutschen Bundesstaat liegt ganz woanders. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Bremen hat gewählt, und wie immer haben die Sozialdemokraten gewonnen. In der Hansestadt ist das eben so, seit Jahrzehnten. Es könnte eine Erklärung dafür sein, warum Bremen hinterherschippert im Konvoi der großen Kommunen und auch der Länder. Verfestigte politische Strukturen, und eine ewig regierende Partei neigt eben zur Verkrustung, bringen fast zwangsläufig die Nachteile mangelnder Anpassungs- und Umorientierungsfähigkeit mit sich. Man muss das nicht allein Jens Böhrnsen anlasten, dem seit zehn Jahren regierenden Bürgermeister, der nun ein schwaches Ergebnis einfuhr. Er hatte 2005 ein Schiff übernommen, das eigentlich schon längst zur Generalüberholung eingedockt gehörte.

Oder vielleicht sogar ausgeflaggt werden müsste? Was bedeuten würde: statt der rot-weißen Speckflagge und dem Schlüssel im Wappen also das niedersächsische Ross. Bremen war und ist ein bewährter Kandidat für das beliebte Spiel namens Länderneugliederung. Und wie immer, wenn Bremen wählt, fragt sich der Rest der Republik: Warum ist Bremen eigentlich ein Bundesland? Müsste man nicht endlich mal klar Schiff machen und Bremen hinabstoßen in den Status einer stinknormalen mittleren Großstadt in Niedersachsen? Denn sind Stadtstaaten nicht ein Anachronismus? Vor allem kleine Stadtstaaten? Wie überhaupt kleine Staaten nicht funktionieren?

Völlig überschuldet

Bremen funktioniert nach landläufiger Meinung nicht. Es ist völlig überschuldet. Aus eigener Kraft lässt sich der Schuldenberg von 20 Milliarden Euro nicht mehr abtragen. Die Stadt wird vom Rest der Republik über Wasser gehalten. Kommt es zu einem Abschluss der laufenden Bund-Länder-Verhandlungen, dann wird jährlich eine Extra-Zinshilfe von ungefähr 400 Millionen Euro fließen, aus dem Bundesetat oder in geteilter Geberfreude vom Bund und den Ländern. Zudem ist Bremen eines der Nehmerländer mit sehr hohem Prokopfzufluss im Finanzausgleich. Dazu kommen noch weitere Geschenke vom Bund wie die Hilfe für Kosten politischer Führung.

Das ist die eine Seite. Andererseits ist Bremen als Kommune und auch als Teil der Ländergemeinschaft nicht das Wrack, das manche gern zeichnen. Die Stadt hat – neben den üblichen Sozialproblemen einer Großstadt, die an der Weser möglicherweise etwas krasser ausfallen – eine durchaus florierende Industrie, mittlerweile verbesserte Hochschulen, eine passable Lebensqualität. Doch zigtausende Arbeitnehmer wohnen heute außerhalb der Stadt. Seit die Einkommensteuer nach dem Wohnort und nicht nach dem Arbeitsort verteilt wird (eine Entscheidung in den 70er-Jahren), hat Bremen einen Nachteil – es wurde zum Nehmerland. Profitiert hat Niedersachsen. Ein Teil der Bremer Schuldenprobleme rührt aus dem Zusammentreffen von verschlepptem Strukturwandel (nach der Werftenkrise) und hohen Sozialleistungen. Eine Reaktion auf diese Strukturkrise war das Aufblähen des öffentlichen Dienstes – ein teurer Fehler, wie man heute weiß.

Länderfusion wird überschätzt

Die Fusion mit Niedersachsen würde das Problem im Kern nicht lösen (zumal in Hannover niemand auch nur kurz daran denkt, sich den Bremer Ballast aufzuladen). Länderneugliederung als Problemlösung wird, auch in den anderen denkbaren Fällen (Saarland, Berlin-Brandenburg, der Nordstaat, die mitteldeutsche Fusion), ohnehin völlig überschätzt. Wie alle einfach anmutenden Lösungen. Das eigentliche Problem im deutschen Bundesstaat ist ein anderes. Es ist die zu enge Verflechtung zwischen Bund und Ländern, die Überbetonung des Kooperativen und Solidarischen gegenüber Autonomie,  Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit. Hier stimmt die Balance schon seit langem nicht mehr. Das erklärt auch, jedenfalls zum Teil, warum Bremen in die Lage gekommen ist, in der es heute steckt.

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