Vorschlag zu Islam-Gesetz von Andreas Scheuer: Muslime werfen CSU-Generalsekretär Aufruf zum Verfassungsbruch vor
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer will den Islam mit einem eigenen Gesetz unter Kontrolle bringen. Die Kritik daran reicht bis ins Kanzleramt.
Die Forderung nach einem Islamgesetz und mehr Kontrolle des Islam hat dem Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, Kritik bis ins Kanzleramt eingetragen. Der „politische Islam“ müsse stärker unter die Lupe genommen werden, hatte Scheuer der "Welt" gesagt, „denn er hintertreibt, dass sich Menschen bei uns integrieren“. Scheuer will, dass Moscheen oder islamische Kindergärten nicht mehr mit Geld aus dem Ausland finanziert werde. „Deutsch müsse die Sprache der Moscheen werden“, alle Imame müssten „in Deutschland ausgebildet sein und unsere Werte teilen“.
Die Beauftragte des Bundesregierung für Migration und Integration sagte, sie lehne eine Deutschpflicht für Moschee-Prediger ab. "So etwas verlangen wir zurecht auch nicht von Gottesdiensten in der Russisch-Orthodoxen Kirche oder in Synagogen", sagte Aydan Özoguz (SPD) der Passauer Neuen Presse. "Es gibt zudem viele Moscheen, die schon heute alternativ auch Predigten auf Deutsch anbieten." Das Grundgesetz gelte für alle, auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften. "Wenn wir Zweifel an der Finanzierung eines islamischen Vereins haben, müssen unsere Behörden den Verein überprüfen. Notfalls können sie ein Vereinsverbot verhängen. Das ist in der Vergangenheit mehrmals geschehen."
Vorbild Österreich
Ein Islamgesetz, das Scheuers Forderungen umsetzt, gibt es seit Anfang 2015 in Österreich. Wien reformierte seinerzeit das Gesetz von 1912. Mehr als hundert Jahre lang hatte es als einziges in Westeuropa den muslimischen Bürgern der k.u.k.-Monarchie religiöse Selbstverwaltung und Versorgung, etwa durch staatlich besoldete Militär-Imame garantiert. Die Neufassung dagegen schränkt diese Selbstständigkeit nun deutlich ein. Schon damals gab es in der Union Überlegungen, dem österreichischen Beispiel zu folgen.
Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg empfahl Scheuer erneut einen Integrationskurs ("dringender denn je"). Dort könne er mehr über Artikel 4 des Grundgesetzes erfahren, der staatliche Eingriffe in die Religionsausübung verbiete. Noch heftigere Kritik kam aus dem größten muslimischen Verband, der türkisch geprägten Ditib. Murat Kayman, Koordinator der Ditib-Landesverbände und Jurist, nannte Scheuers Forderungen skandalös. Was er wolle sei „verfassungsrechtlich nicht nur fragwürdig: Es wäre ein klarer Verfassungsbruch, wenn man Religionsgemeinschaften vorschriebe, wie sie geistliche Ämter vergeben und welche Inhalte ihre Predigten haben sollen“, sagte Kayman dem Tagesspiegel.
Scheuer "wie im 19. Jahrhundert"
Scheuer bewege sich damit „nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes“. Er wolle entweder die Verfassung brechen oder denke an ein „Zwei-Klassen-Verfassungsrecht eines für muslimische Bürgerinnen und Bürger und eines für die nichtmuslimischen“. „Oder will die CSU demnächst auch Vorschriften für den jüdischen Sabbat machen oder in bayerischen Kirchen den römischen Ritus verbieten, weil dabei Latein gesprochen wird?“ Verwundert zeigte Kayman sich, dass gerade ein Politiker aus dem katholischen Bayern derlei vorschlage. Was Scheuer sage, sei „nichts anderes als der Ultramontanismusvorwurf aus dem 19. Jahrhundert im neuen Gewand“. Der Vorwurf, Katholiken seien nicht ausreichend staatstreu, ihre Loyalität gelte vielmehr dem Papst, ihrem geistigen Oberhaupt jenseits der Alpen ( „ultra montes“), war zentral für Bismarcks Vorgehen gegen den deutschen Katholizismus in den ersten Jahre nach der Reichsgründung 1871. Der sogenannten Kulturkampf stärkte den politischen Katholizismus allerdings noch und entfremdete die Katholiken dem neuen Staat auf Dauer.
Ausbildung deutscher Imame läuft bereits
Die Forderung des CSU-Generalsekretärs Scheuer, Imame in Deutschland auszubilden, ist längst auf dem Weg, erfüllt zu werden. Genau deswegen haben die deutschen Universitäten vor vier Jahren erste Zentren für Islamische Theologie eingerichtet. Den Anfang machten zum Wintersemester 2011/2012 die Universitäten Tübingen, Münster/Osnabrück, Frankfurt am Main und Erlangen-Nürnberg. Mittlerweile sind 1800 Studierende eingeschrieben. Weitere Institute sind geplant, unter anderem in Berlin. Angestoßen hatte diesen Prozess die Deutsche Islamkonferenz, die der frühere Bundesinnenminister Schäuble (CDU) etablierte.
Ob das gelingen wird, ist auch eine Finanzierungsfrage. Die vier großen Islam-Dachverbände haben von Anfang an grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt, die hier ausgebildeten Imame, Religionslehrer und Sozialarbeiter zu übernehmen. Sie wiesen zugleich auf die Schwierigkeit hin, sie zu finanzieren. Die Moscheegemeinden kennen keine Kirchensteuer und leben hauptsächlich von Spenden, ihre Sozialarbeit wird zwar auch öffentlich, aber projektgebunden und auf Zeit gefördert.
Problem Finanzierung
Ditib, ein Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet, ist nach Meinung von Insidern auch deshalb der größte Verband, weil die türkische Mutterbehörde Imame stellt und bezahlt – viele Moscheen könnten sich anders keinen Geistlichen leisten oder müssten an anderen Gemeindeaufgaben sparen.
„Deutschsprachige Imame sind eine sinnvolle Sache“, sagt denn auch Murat Kayman. „Auf die Idee sind wir als Ditib schon vor Jahren gekommen, als das Thema die CSU noch gar nicht interessiert hat.“ Man unterstütze auch seit vielen Jahren die theologische Ausbildung deutschsprachiger Studierender und setze sie in den Gemeinden ein. „Die Politik hat sich da aber weder in einer Synagoge, noch in einer Kirche und auch nicht in Moscheen einzumischen.“