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Christian Ude (SPD) war mehr als 20 Jahre Münchner Oberbürgermeister.
© dpa

Nach SPD-Absturz in Bayern: Münchner Ex-OB Ude legt Natascha Kohnen Rücktritt nahe

Der Sozialdemokrat Christian Ude will den bundesweiten Abwärtstrend seiner Partei nicht als Entschuldigung für das SPD-Ergebnis in Bayern gelten lassen.

Namhafte bayerische Sozialdemokraten haben der SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen den Rücktritt von allen Ämtern empfohlen. Unter ihrer Führung hat die Partei bei der Landtagswahl am Sonntag 9,5 Prozent erreicht, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der bayerischen SPD.

„Schmerzhaft, niederschmetternd, katastrophal“

Das sei ein „schmerzhaftes, niederschmetterndes, katastrophales Ergebnis“, sagte der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude am Sonntag dem Tagesspiegel. Er sprach von „erdrutschartigen, existenzbedrohenden Verlusten“ für seine Partei. „Der zweifellos problematische Bundestrend taugt auch nicht als Entschuldigung, da die Spitzenkandidatin gleichzeitig Vize-Vorsitzende der Bundespartei ist“, betonte Ude. Er selbst hatte als SPD-Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf vor fünf Jahren noch 20,6 Prozent der Stimmen geholt.

Ohne Kohnen am Sonntag direkt anzusprechen, legte Ude der SPD-Landevorsitzenden und stellvertretenden Chefin der Bundespartei den Rückzug nahe. „Hannelore Kraft ist sofort von allen Ämtern zurückgetreten, als sie knapp ein Viertel der SPD-Stimmen in NRW verloren hatte“, sagte Ude über die ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Kraft, die 2017 abgewählt wurde und sich anschließend aus der Politik zurückzog. „An diesem Beispiel von Haltung, Verantwortung und Konsequenz kommt die SPD jetzt nach drastischeren Verlusten nicht vorbei“, betonte Ude. In der Tat ist der Stimmenverlust für die Bayern-SPD noch gravierende als 2013 in Nordrhein-Westfalen. Während Kraft damals ein Viertel der Stimmen eingebüßt hatte, verloren die bayerischen Sozialdemokraten jetzt rund die Hälfte ihrer Wähler.

Alle anderen Partien links der CSU haben dazu gewonnen

Das schlechte Ergebnis für die Bayern-SPD sei nicht mit „einem nationalen oder internationalen Rechtsruck“ zu begründen, „da ja alle anderen Parteien links von der CSU Stimmen dazu gewonnen haben“, sagte Ude weiter. „In über 50 Mitgliedsjahren habe ich jedenfalls auf den Plakaten und bei den Slogans noch keinen so politikfreien, inhaltsleeren Wahlkampf erlebt.“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post forderte schnelle Konsequenzen. „Wir müssen möglichst bald den ordentlichen Landesparteitag vorziehen, um einen echten und dringend notwendigen Neuanfang inhaltlich und personell zu ermöglichen“, forderte er. „Es ist glasklar, dass es inhaltliche und personelle Konsequenzen im Landesvorstand gibt.“

Was aber, wenn Kohnen dennoch bleiben will? „Das wäre geradezu so, als ob man dem Kapitän der Titanic gleich das Kommando über das nächste Passagierschiff anvertraut hätte“, sagte Post. Er gehe davon aus, dass sich Kohnen zurückziehen werde. Die Verantwortung für das Wahlergebnis trügen alleine Präsidium und Vorstand der Bayern-SPD. Eine Mitverantwortung der Bundespartei wies Post zurück.

„Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht“

„Nach diesem desaströsen Ergebnis kann es kein Weiter so geben“, sagte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi. „Es ist nicht gelungen, unsere zentralen sozialdemokratischen Inhalte an die Wählerinnen und Wähler zu bringen“, kritisierte er. Die Verantwortung dafür sieht Schrodi beim Landesvorstand - und setzt auf die Einsicht der Landeschefin: „Es würde mich wundern, wenn Natascha Kohnen das anders sähe.“

Für den SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn ist das Ergebnis seiner Partei eine „absolute Katastrophe“. Kohnens Wahlkampagne sei „falsch angelegt“ gewesen, sagte er. Es habe an überzeugenden Inhalten gefehlt, der Wahlkampf sei zu langsam in Fahrt gekommen. „Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht“, fasste von Brunn zusammen.

Wer folgt auf Kohnen?

Auch er verwehrt sich dagegen, den bundesweiten Abwärtstrend der SPD für das Ergebnis der Bayernwahl verantwortlich zu machen. Kohnen hatte vor wenigen Tagen noch darüber gesprochen, dass der allgemeine Zustand der Sozialdemokratie eine Mitschuld an der Schwäche der Bayern-SPD habe. Das gleiche hatte auch der bayerische SPD-Generalsekretär Uli Grötsch dem Tagesspiegel gesagt.

„Man kann die Verantwortung jetzt nicht nur nach Berlin abschieben“, sagte von Brunn am Sonntag. „Natascha Kohnen, Uli Grötsch und andere haben wichtige Positionen im SPD-Bundesvorstand inne.“ Das Ergebnis müsse nun „schonungslos und ohne faule Ausreden“ aufgearbeitet werden. „Natürlich wird man auch über die Verantwortung dafür sprechen müssen“, sagte er.

Florian von Brunn wird als möglicher neuer Landesvorsitzende gehandelt – unter Kohnen-Kritikern jedenfalls. Auf den Posten schielt der 49-Jährige schon länger. 2017 war er einer von insgesamt sechs Kandidaten, die sich um den Chefposten in der Bayern-SPD bewarben. Damals unterlag er Kohnen, die gewann 53,8 Prozent der Stimmen in der Mitgliederbefragung. Von Brunn erreichte mit knapp 20 Prozent den zweiten Platz. Im Vorfeld der parteiinternen Abstimmung hatte er Kohnen scharf attackiert. Die damalige Generalsekretärin Kohnen habe ein Problem, sagte er: Ihrem CSU-Pendant, dem einstigen Generalsekretär und heutigen Verkehrsminister Scheuer, könne sie einfach nicht das Wasser reichen.

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