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Russlands Präsident Wladimir Putin (vorn) und Außenminister Sergei Lawrow
© EPA/Sergei Karpukhin/Pool

Russland und die EU im Ukraine-Konflikt: Moskaus schwarze Liste

Russland hat im Gegenzug für Sanktionen der Europäischen Union Einreiseverbote gegen 89 Personen aus 17 EU-Staaten ausgesprochen. Auch acht Deutsche stehen auf der Liste.

Was haben Belgiens früherer Regierungschef Guy Verhofstadt, der ehemalige Leiter des britischen Geheimdienstes MI-6, John Sawers, der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit und Riho Terras, Oberbefehlshaber der estnischen Streitkräfte, gemeinsam? Sie alle dürfen nicht mehr nach Russland reisen. Das geht aus einer schwarzen Liste hervor, die das Außenministerium in Moskau EU-Diplomaten übergab.

Dass es eine Liste mit Einreiseverboten gibt, wurde deutlich, als der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann (CDU) am Moskauer Flughafen abgewiesen wurde. Im Herbst vergangenen Jahres hatte Russland erklärt, mit einer eigenen Liste auf die Einreiseverbote der EU zu reagieren, die wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine verhängt worden waren.

Polen und Baltikum besonders von Einreiseverboten betroffen

Insgesamt dürfen 89 Personen aus 17 EU-Ländern nicht mehr nach Russland reisen, darunter Abgeordnete, Regierungsbeamte und Militärs. Acht Deutsche stehen auf der Liste. Mit 18 Einreiseverboten ist Polen am stärksten betroffen, auch die baltischen Staaten, Schweden und Großbritannien sind überdurchschnittlich stark vertreten – Länder, die sich besonders für Sanktionen gegen Russland stark gemacht haben.

Steinmeier nennt Einreiseverbote "nicht besonders klug"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte die Einreiseverbote „nicht besonders klug“. Zugleich kritisierte er, dass die Liste bisher nicht öffentlich gemacht wurde. Es wäre das Mindeste gewesen, den Betroffenen mitzuteilen, welche Vorbehalte gegen sie bestünden.

Während die EU-Sanktionsliste für jedes Einreiseverbot eine Begründung nennt, fehlt dies auf der russischen Liste. Auf den ersten Blick erscheint unklar, warum Personen wie der CSU-Politiker Bernd Posselt, heute Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, oder Karl Müllner, Inspekteur der deutschen Luftwaffe, nicht mehr nach Russland reisen dürfen, während bekannte kremlkritische Politiker nicht auf der Liste stehen. Bei näherem Hinsehen findet sich aber für jede dieser Personen ein Bezug zum Ukraine-Konflikt oder den EU-Sanktionen gegen Russland.

Der Abgeordnete Karl-Georg Wellmann, dem am vergangenen Wochenende in Moskau die Einreise verweigert wurde, gehörte vor nicht allzu langer Zeit in der Unionsfraktion zu denjenigen, die deutlicher Kritik an Wladimir Putins Russland skeptisch gegenüberstanden. Das änderte sich mit dem Ukraine-Konflikt. Wellmann, der die deutsch-ukrainische Parlamentariergruppe leitet, forderte, das Vorgehen Russlands in der Ukraine müsse gestoppt werden. Sanktionen seien ein „notwendiges Mittel“.

Ähnlich wie Wellmann ging es Rebecca Harms, der Grünen-Fraktionschefin im Europäischen Parlament: Im September 2014 wurde sie am Moskauer Flughafen an der Einreise gehindert und zur „unerwünschten Person“ erklärt. Dass Harms nun tatsächlich auf der russischen Liste steht, überrascht wenig: Sie kritisiert seit Jahren die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Russland. Im Ukraine-Konflikt setzte sie sich schon früh für Wirtschaftssanktionen gegen Russland ein.

Im Europaparlament saß bis 2014 auch Daniel Cohn-Bendit. Der Abgeordnete der französischen Grünen mit deutscher und französischer Staatsbürgerschaft setzte sich im vergangenen Jahr für eine besondere Antwort auf die Ukraine-Krise ein – einen Boykott der Fußball-WM 2018 in Russland.

Als Außenpolitiker ist der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) bisher eher nicht hervorgetreten, mit Russland hat er in seiner parlamentarischen Arbeit eigentlich nichts zu tun. Allerdings sprach er sich im Sommer vergangenen Jahres in einem Interview ausdrücklich für Sanktionen gegen Russland aus und betonte, diese seien für die deutsche Wirtschaft zwar schmerzlich, aber „unumgänglich“. Auch er forderte sogar, Russland die Fußball-WM 2018 zu entziehen.

Der CSU-Politiker Bernd Posselt, bis Mai vergangenen Jahres ebenfalls Europaabgeordneter, bezeichnete in einer Rede kurz vor den Europawahlen den russischen Präsidenten Wladimir Putin als aggressivsten Kreml-Herrscher seit Stalin und forderte die EU auf, den Sanktionskurs beizubehalten. Notfalls müssten sehr scharfe politische und wirtschaftliche Sanktionen beschlossen werden. Posselt ist heute nicht mehr im EU-Parlament, wurde aber trotzdem auf die Einreiseverbotsliste gesetzt.

Nicht nur Politiker, sondern auch Regierungsbeamte stehen auf Moskaus schwarzer Liste. Uwe Corsepius, Generalsekretär des Ministerrats der EU, war mit der Umsetzung der Sanktionsbeschlüsse befasst. Vor seinem Wechsel galt er als einer der wichtigsten außenpolitischen Ratgeber von Angela Merkel. Zum 1. Juli kehrt er er in seinen alten Job als europapolitischer Berater der Kanzlerin zurück.

Noch vor drei Jahren trat Katrin Suder, damals Unternehmensberaterin, als Rednerin bei dem keineswegs kremlkritischen Verein „Deutschland-Russland – Die neue Generation“ auf. Heute darf sie jedoch nicht mehr nach Russland reisen. Suder, seit August 2014 als Staatssekretärin im Verteidigungsministerium zuständig für Rüstung, soll den Verkauf von Panzerhaubitzen an Litauen für möglich erklärt haben. Im Ukraine-Konflikt sehen die baltischen Staaten ihre Sicherheit bedroht.

Auch der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, hat in Russland Einreiseverbot. Die Luftwaffe beteiligte sich an der Überwachung des Luftraums über dem Baltikum. Zum Auftakt des Einsatzes reiste Müllner im September selbst nach Estland. Deutsche „Eurofighter“ sichteten im internationalen Luftraum über der Ostsee russische Kampfflugzeuge. Deutschland reagiere mit dem Einsatz auf die angespannte Situation in der Ukraine, erklärte damals das Verteidigungsministerium.

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