Türkei entlässt rund 90.000 Gefangene: Mörder und Journalisten bleiben aber eingesperrt
Wegen der Virus-Pandemie dürfen rund 90.000 Insassen die überfüllten türkischen Gefängnisse verlassen. Ausgenommen sind unter anderem politisch Inhaftierte.
Das türkische Parlament hat einen umstrittenen Gesetzentwurf zur Freilassung zehntausender Strafgefangener aufgrund der Coronavirus-Pandemie bewilligt.
Der Entwurf sei durch die Annahme durch die Abgeordneten "zu Gesetz geworden", hieß es in einer offiziellen Twitter-Botschaft des Parlaments in Ankara am Montagabend. Menschenrechtsgruppen hatten scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf geübt, weil er politische Gefangene nicht einschließt.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International stimmten 279 der Abgeordneten für das Gesetz, 51 dagegen. Kein einziger Änderungsantrag der Opposition sei angenommen worden, schrieb die Amnesty-Aktivistin Milena Buyum im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Das von der Regierung eingebrachte Gesetz sieht die Freilassung von rund 90.000 Insassen aus überfüllten Gefängnissen wegen der Coronavirus-Pandemie vor. Ein Teil von ihnen soll vorzeitig aus der Haft entlassen werden, ein anderer Teil unter Hausarrest gestellt werden. Zahlreiche Gefangenen wird auch auch die Haftstrafe halbiert.
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Von dem Gesetz ausgenommen sind politische Gefangene, die nach den umstrittenen Antiterrorgesetzen der Türkei angeklagt sind, wie Anwälte und Pressevertreter. Human Rights Watch und Amnesty hatten das Gesetz deshalb scharf kritisiert. Die Schriftstellervereinigung PEN hatte gefordert, angesichts der unhygienischen Zustände in vielen türkischen Gefängnissen auch inhaftierte Journalisten und Menschenrechtsaktivisten freizulassen.
Ausgenommen von dem neuen Gesetz sind laut Amnesty International auch Gefangene, die wegen Verbrechen gegen den Staat, Mordes, Sexualstraftaten oder Drogendelikten verurteilt wurden.
Drei Gefängnisinsassen an Covid-19 gestorben
Viele Menschen säßen nur deshalb in türkischen Gefängnissen, weil sie "ihre Rechte ausgeübt" hätten, sagte der Amnesty-Vertreter Andrew Gardner der Nachrichtenagentur AFP. Zu den politischen Gefangenen in der Türkei zählen etwa der Kunstmäzen Osman Kavala und der kurdische Politiker Selahattin Demirtas.
Stunden vor der Parlamentsdebatte am Montag hatte Justizminister Abdülhamit Gül den Tod von drei Gefängnisinsassen infolge einer Coronavirus-Infektion bekanntgegeben. Insgesamt haben sich den Angaben zufolge bereits 17 Freigänger aus fünf Gefängnissen mit dem neuartigen Virus angesteckt.
In der Türkei gibt es mehr als 61.000 Corona-Infizierte, etwa 1300 Menschen sind bislang an der vom Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Wegen der Pandemie gelten in dem Land strenge Ausgangsbeschränkungen. (AFP)