Patrone im Briefkasten: Morddrohungen gegen Heiko Maas und Cem Özdemir
Hass und Hetze gegen Politiker werden offenbar schärfer: Justizminister Maas und Grünen-Chef Özdemir berichten von zunehmenden Morddrohungen - von deutschen und türkischen Rechten.
Er habe in seiner 20-jährigen politischen Laufbahn nie "so viel Rohheit wie heute" erlebt, sagt Heiko Maas. Der Bundesjustizminister und SPD-Politiker ist nach eigenen Angaben unzähligen Morddrohungen und anderen Attacken von Rechtsextremen ausgesetzt. Ähnlich ergeht es Grünen-Chef Cem Özdemir: Sein Büroleiter berichtet von einer massiven Zunahme an Todesdrohungen, seit der Bundestag am Donnerstag die Verbrechen an Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" eingestuft hat. Hinter den Attacken werden in Özdemirs Fall türkische Rechtsradikale vermutet.
Er erhalte "Morddrohungen mit Ort, Datum, Uhrzeit", sagte Justizminister Maas der "Bild am Sonntag." In den Briefkasten seiner Privatwohnung habe jemand "eine Neun-Millimeter-Patrone" geworfen. Massiv zugenommen hätten die Attacken, nachdem er Pegida als eine Schande für Deutschland bezeichnet habe. Er wolle seine Arbeit aber "unbeeinflusst von irgendwelchen Hasskommentaren machen, seien sie noch so heftig", sagte Maas. Das meiste ignoriere er, "allein schon, weil es einfach zu viel ist". Nach einem Talkshowauftritt "kommen schon mal locker 500 Zuschriften".
Die Angreifer kommen laut Maas aus der rechten Szene: "Vor allem Pegida, AfD, NPD und was es sonst noch in der rechten Ecke gibt. Das ist der Teil der Gesellschaft, der sich auch sonst in Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ergießt." Nach seinem Auftritt bei der DGB-Kundgebung zum 1. Mai in Zwickau, bei dem er als "Volksverräter" beschimpft wurde, gibt es laut Maas ständig den Versuch, seine öffentlichen Auftritten zu behindern: "Seitdem gibt es eine Gruppe von rechten Groupies, die mir nachreist, um meine Veranstaltungen zu stören. Ihr Standardslogan ist ,Hau ab.' Mache ich aber nicht." Auch eine Veranstaltung im Havelland Anfang Juni wurde gestört.
Seit Armenien-Resolution so viele Morddrohungen wie noch nie
Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sieht sich einem Medienbericht zufolge mit massiven Drohungen konfrontiert. Es liefen Gespräche mit den zuständigen Behörden über Sicherheitsmaßnahmen, sagte sein Büroleiter Marc Berthold der „Welt am Sonntag“. Man sei „mit dem BKA in Abstimmung“. Er fügte an: „Schmähungen und Beleidigungen sind wir durchaus gewohnt, aber so eine hohe Zahl von Todesdrohungen haben wir noch nie erlebt.“
Der „Welt am Sonntag“ zufolge hat die Berliner Polizei seit Donnerstag ihre Präsenz in der Umgebung von Özdemirs Wohnung erhöht. „Es gibt leider auch eine türkische Pegida“, sagte der Politiker der Zeitung zur Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen. „Rechtsradikalismus ist kein deutsches Privileg. Das gibt es leider auch in der Türkei und unter Deutschtürken.“
Özdemir, der türkische Vorfahren hat, hatte sich wiederholt kritisch zum Kurs der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert. Er war einer der Initiatoren der am Donnerstag vom Bundestag beschlossenen Armenien-Resolution. Die Türkei hatte den Beschluss heftig kritisiert.
In der AfD sieht Maas keine Gefahr für die ganze Gesellschaft
Justizminister Maas warnte im Zusammenhang mit den Drohungen vor einer allgemeinen Zunahme rechter Gewalt in Deutschland: "Wir haben deutliche Hinweise, dass rechte Gruppen sich auch im Internet besser organisieren. Und das ist gefährlich. Wir sollten das sehr ernst nehmen. Wir müssen alles dafür tun, dass sich nicht noch einmal ein solcher Wahnsinn wie der NSU entwickelt. Das war ein Staatsversagen."
Die AfD hält Maas dagegen nicht für eine Gefahr für Deutschland. "Die AfD spielt mit Ressentiments. Dass die AfD aber gleich zur Gefahr für die ganze Gesellschaft wird, das wäre zu viel der Ehre. Unsere Demokratie ist stark genug, um auch Rechtspopulisten auszuhalten." (AFP, dpa)