Abhöraffäre in Polen: Parlament spricht Regierungschef Tusk das Vertrauen aus
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat wegen der Affäre um illegale Mitschnitte von Gesprächen von Ministern die Vertrauensfrage gestellt. Tatsächlich sprach ihm das Parlament am Abend noch das Vertrauen aus.
Donald Tusk ging in die Offensive. Der polnische Ministerpräsident hat am Mittwoch die Vertrauensfrage über seine Regierung gestellt. Mit Blick auf den am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel beantrage er eine schnellstmögliche Abstimmung, sagte er im polnischen Parlament bei der Debatte über die Abhöraffäre gegen mehrere Regierungsmitglieder. „Ich muss die Gewissheit haben, dass die Regierung das Mandat und die Mehrheit hat, die Arbeit fortzusetzen.“ Und tatsächlich sprach ihm das Parlament noch am Abend das Vertrauen aus: Tusk erhielt 237 von insgesamt 440 Abgeordnetenstimmen.
Die Affäre habe einen Bezug „zu Personen, die sich mit Gasverbindungen nach Russland befassen“, sagte Tusk. Hintergrund sei auch Kohlehandel im großen Stil und „die Situation in der Ukraine und in Europa“. 20 Minuten lang redete der Premier vor den Parlamentariern über die möglichen Interessen des Kremls. „Man muss sich immer fragen, wem die Destabilisierung Polens nützt“, sagte Tusk und erinnerte an die am Freitag in Brüssel zur Unterzeichnung geplanten EU-Assoziationsabkommen mit der Ukraine, Moldawien und Georgien, deren europäische Aspirationen Polen unterstützt hatte. Zudem stünden am Freitag auch wichtige Verhandlungen über die europäische Energieunion an. Polen hat nicht nur angeregt, das russische Erdgas künftig EU-weit gemeinsam zu kaufen, sondern kämpft dazu seit Jahren für eine Diversifizierung der Gaslieferanten und mehr Unabhängigkeit von Russland.
Auslöser der Regierungskrise sind veröffentlichte Aufzeichnungen von abgehörten privaten Ministertreffen in Warschauer Nobellokalen durch das Nachrichtenmagazin „Wprost“. Zunächst wurde ein Gespräch zwischen dem Innenminister und dem Nationalbankchef publik, in dem Letzterer gebeten wird, das Staatsbudget besser aussehen zu lassen. Am Sonntag hatte „Wprost“ dann noch Auszüge aus einem weiteren Gespräch veröffentlicht, in dem sich Außenminister Radoslaw Sikorski gegenüber dem inzwischen zurückgetretenen Finanzminister abfällig über die USA äußerte. Das polnisch-amerikanische Bündnis sei „wertlos“, ja sogar „Bullshit“, sagte Sikorski. Der bisher als Amerikafreund geltende Sikorski ist Warschaus offizieller Bewerber für die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
Die polnische Öffentlichkeit bat Tusk am Mittwoch um Entschuldigung für den Wortschatz seiner Minister. Im Zusammenhang mit der Affäre hat die Warschauer Staatsanwaltschaft bisher zwei Festnahmen bestätigt. Dabei soll es sich nach Medienberichten um einen Geschäftsmann handeln, der ein großes Vermögen mit der Einfuhr günstiger russischer Kohle gemacht hat, sowie um den Schwager des mehrfachen Millionärs. Außerdem wird gegen zwei Kellner des Nobelrestaurants ermittelt, die die illegalen Aufnahmen gemacht haben sollen.
Als mögliche Motive der Lauschangriffe sind in Polen bisher unpolitische Gewinnsucht der Kellner sowie politische Hintergründe diskutiert worden. Der Verdacht fiel zudem auf den rechtskonservativen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, der nach Bekanntwerden der ersten Mitschnitte die Demission der Regierung und vorgezogene Neuwahlen forderte. Auch die Möglichkeit einer russischen Provokation wurde nicht ausgeschlossen.
Paul Flückiger
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