Tod auf der Flucht: Mittelmeer bleibt Massengrab für Flüchtlinge
Binnen eines Jahres ist die Zahl der weltweit auf der Flucht gestorbenen Menschen um ein Fünftel gestiegen. Im Mittelmeer starben dabei so viele Flüchtlinge wie sonst nirgendwo.
Die Zahl von Menschen, die auf der Flucht aus ihrer Heimat ums Leben kamen, ist innerhalb eines Jahres um mehr als 20 Prozent gestiegen. Das geht aus Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hervor. Seit dem 1. September 2015 starben weltweit 5700 Menschen auf Fluchtrouten, davon allein 4181 im Mittelmeer. Im Vorjahreszeitraum waren es 4664 Tote weltweit, darunter 3713 im Mittelmeer. Der Anstieg beträgt weltweit 22 Prozent, auf der Mittelmeerroute 12 Prozent.
Die IOM sammelt und lokalisiert die Todesfälle. Diese konzentrieren sich zu 90 Prozent auf das Mittelmeer, Nord- und Ostafrika sowie den Nahen Osten. Die mit Abstand meisten Toten wurden vor der Küste von Libyen und Tunesien, sowie vor der türkischen Westküste registriert. Die beiden Seerouten – von Nordafrika nach Lampedusa sowie von der Türkei nach Griechenland – sind die meistgenutzten Wege von Flüchtenden, die den Weg nach Europa suchen.
Vor genau einem Jahr versinnbildlichte ein Foto des Flüchtlingsjungen Alan Kurdi die dramatische Lage: Am 2. September 2015 wurde sein Leichnam am Strand des türkischen Badeortes Bodrum angespült. Seitdem sei die Situation „um keinen Deut besser geworden“, sagt Robert Lindern vom Hilfsverbund Oxfam. „Europäische Regierungen dürfen nicht weiter Asylstandards senken“, fordert er. Ebenso dürften sie nicht mit „diktatorischen Regimes“ kooperieren, um Menschen gewaltsam an der Flucht zu hindern.
Um gefährliche Überfahrten zu verhindern, müsse die Familienzusammenführung vereinfacht werden.
Abkommen mit Staaten der Region wurden getroffen, um die hohen Todesfallzahlen zu reduzieren, waren letztlich nicht effektiv. „Menschen, die fliehen mussten, hatten abgewartet, ob die Vereinbarung ihre Perspektiven verbessert“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg. „Als das nicht eintrat, haben sich wieder mehr Menschen auf die gefährlichen Routen begeben.“ „Es gibt viel zu wenig sichere Fluchtwege“, sagt auch Wiebke Judith von Amnesty International. Statt sich abzuschotten, solle die EU sichere Fluchtmöglichkeiten schaffen. Um gefährliche Überfahrten zu verhindern, müsse die Familienzusammenführung vereinfacht werden.
Auch für Luise Amtsberg ist neben der zivilen Seenotrettung der Familiennachzug ein Hauptanliegen: „Nur mit einem geregelten Nachzugprogramm kann verhindert werden, dass auch Kinder auf die Boote gehen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Den Familiennachzug auszusetzen, sei genau das falsche Mittel, um Tote im Mittelmeer zu verhindern.