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Ein Anti-Brexit-Plakat liegt auf dem Boden vor dem Parlament.
© dpa

Großbritannien: Mit Hamsterkäufen gegen den Chaos-Brexit

Der Chaos-Brexit rückt näher. Großbritanniens Bürger rüsten sich mit Hamsterkäufen und tauschen Ratschläge aus, mit welchen Waren sie sich versorgen müssen.

Ganz egal, was das Unterhaus in den kommenden Tagen womöglich noch beschließt – als Folge der klaren Ablehnung des EU-Verhandlungspakets von Premierministerin Theresa May rückt der Chaos-Brexit ohne Austrittsvereinbarung (No Deal) näher. Das Risiko sei nun wohl „so hoch wie noch nie“, glaubt Ökonom Azad Zangana vom Vermögensverwalter Schroders. Immer mehr Briten reagieren darauf ganz praktisch. In Facebook-Gruppen und Community-Netzwerken tauschen sie Ratschläge aus, welche Lebensmittel und Medikamente sie für die Zeit nach dem Austrittstermin Ende März horten müssen.

Dem „Guardian“ erläuterte die Politikprofessorin Diane Coyle, warum sie derzeit ein wenig mehr kauft als für den Tagesbedarf nötig. Das liege an den Versorgungsketten der Supermärkte, die auf „just in time“ angelegt seien: „Wenn wir auch nur eine Verzögerung von zwölf Stunden haben, werden bestimmte Produkte ausgehen.“ Tatsächlich warnen Transportexperten angesichts der begrenzten Kapazität und Zeitverluste durch Zollkontrollen vor Lkw-Schlangen von mehreren Dutzend Kilometern vor den Häfen am Ärmelkanal.

Die Wirtschaft warnt schon seit Monaten vor dem Chaos-Brexit

Die Regierung hat den Bedenken der Bevölkerung durch unklare Anweisungen und halbherzige Vorbereitungen Vorschub geleistet. Er sei „der weltweit wichtigste Käufer von Kühlschränken“, brüstete sich Gesundheitsminister Matthew Hancock vor Weihnachten, und sein Ressort erläuterte: Um Medikamente zu lagern, müsse deren Kühlung sichergestellt sein. Allerdings wiesen Krebsexperten darauf hin, dass bei vielen Bestrahlungstherapien Isotope mit einer Halbwertszeit von drei Tagen verwendet werden. Der Labour-Vorsitzende des Brexit-Ausschusses im Unterhaus, Hilary Benn, nutzte Hancocks Kühl-Strategie zu einer Spitze gegen jene Brexit-Ultras, die den No Deal enthusiastisch befürworten: „Wenn das wirklich so problemlos ist, kann mir mal jemand erklären, warum die Regierung Kühlschränke aufkauft?“

Die Wirtschaft warnt schon seit Monaten in teils apokalyptischen Formulierungen vor dem Chaos-Brexit. Der britische Chef des US-Giganten Amazon, der auf der Insel 25000 Mitarbeiter beschäftigt, sprach im Sommer von Problemen mit der Lebensmittel- und Medikamentenversorgung. Diese könnten Krawalle zur Folge haben, wie sie im Sommer 2011 mehrere englische Städte tagelang an den Rand der Anarchie gebracht hatten, prophezeite Douglas Gurr. Tatsächlich gehören entsprechende Vorkehrungen der Polizei zum Regierungsprogramm für den No Deal, das 4,2 Milliarden Pfund kosten soll. Auch rund 1000 Soldaten sollen die Sicherheitskräfte notfalls unterstützen. Auch Airlines wurden erst kürzlich wieder von der EU-Kommission gewarnt, sie müssten Vorkehrungen treffen, um von Ende März an wie gewohnt im europäischen Luftraum unterwegs zu sein.

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