Auschwitz-Prozess: Mit dem Teddy in den Tod: Nebenklägerin erinnert an Schicksal ihrer Schwester
"Ich wurde in den Verlust hineingeboren", sagt Elaine Kalman Naves. Auch als Kind von Überlebenden prägt der Holocaust ihr Leben. Heute ist sie Nebenklägerin im Prozess gegen Oskar Gröning, dem Beihilfe zum Mord an 300.000 Menschen vorgeworfen wird.
Nie hätte Elaine Kalman Naves gedacht, dass sie einmal in einem deutschen Gerichtssaal sitzen würde, dass sie überhaupt nach Deutschland reisen würde. Die Kanadierin sagt am Dienstag vor dem Landgericht Lüneburg im Prozess gegen Oskar Gröning aus, dem Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Menschen in Auschwitz vorgeworfen wird. Sie ist Nebenklägerin in dem Prozess. Eine der Ermordeten war ihre damals sechsjährige Halbschwester Eva Edith Weinberger, die sie nie kennengelernt hat. Schließlich ist sie selbst erst 1947 geboren worden.
Auch alle Großeltern von Elaine Kalman Naves und viele andere Familienmitglieder überlebten den Holocaust nicht. "Ich wurde in den Verlust hineingeboren", sagt sie vor Gericht. Ihre Aussage macht deutlich, wie stark selbst die Kinder der Überlebenden von den Folgen des Holocaust geprägt sind. Schon früh sieht sie sich Fotoalben an, "von der toten Familie meines Vater und von der toten Familie meiner Mutter". Auch in ihrem Kinderzimmer in der Budapester Wohnung hängen Bilder von Eva, die in der ungarisch-jüdischen Familie liebevoll Évike genannt wird.
"Ich küsse dich viele Male"
Ihr Vater bewahrte Briefe der ermordeten Familienmitglieder auf. Im Gerichtssaal wird eines dieser Schreiben gezeigt, geschrieben von der kleinen Évike auf Kinderbriefpapier. "Ich küsse dich viele Male" – so schließt jeder ihrer Briefe. Auf die Reise, die erst in ein Ghetto und dann nach Auschwitz führt, nimmt Évike ein Buch und ihren Lieblingsteddy mit.
Darüber, was bei der Ankunft in Auschwitz passiert sein muss, spricht Elaine Kalman Naves vor Gericht nicht. "Ich kann es nicht ertragen, das in Worte zu fassen", sagt sie. Der Angeklagte Oskar Gröning hört sich ihre Aussage unbewegt an. Es ist nicht klar, ob der 93-Jährige überhaupt alles mitbekommt. Gröning gehe es nicht gut, er könne der Verhandlung nicht mehr lange folgen, sagt sein Anwalt später.