UN-Bericht zu Kinderrechten in der Kirche: Missbrauch, Vertuschung, Züchtigung
Das UN-Kinderschutzkomitees hat in einem Bericht ein hartes Urteil über den Vatikan gefällt: Die katholischen Kirche gehe mit den Missbrauchfällen nicht nur fahrlässig um, sondern befördere sogar deren Fortsetzung.
"Wir sind zutiefst besorgt. Weltweit waren Kleriker in zehntausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch verwickelt. Doch der Heilige Stuhl hat das Ausmaß der Verbrechen nicht anerkannt; er hat die nötigen Maßnahmen zu Schutz und Vorbeugung nicht getroffen. Und er hat Verfahrensweisen angenommen, die zur Fortsetzung des Missbrauchs und zur Straffreiheit der Täter führten."
Das UN-Komitee für die Einhaltung der Kinderschutzkommission ging am Mittwoch hart mit dem Vatikan ins Gericht. In seinen "Abschließenden Bemerkungen", die in Genf vorgelegt wurden, hebt der Ausschuss zwar positiv hervor, dass die katholische Kirche jetzt, wie von ihr selbst bekundet, „mit aller Kraft“ gegen den Kindesmissbrauch vorgehen will. Auch findet die von Papst Franziskus im Dezember angekündigte Kinderschutzkommission die Billigung der UN-Experten.
Alles verdammt
Aber alles, was bisher ist und war, verdammte der Ausschuss in Grund und Boden. "Wohlbekannte Kinderschänder" seien einfach "von Pfarrei zu Pfarrei oder in andere Länder versetzt worden, aber weiterhin in Kontakt mit Kindern". Ein Kurienkardinal habe einen Bischof sogar dafür gelobt, dass er schuldig gewordene Priester nicht der Polizei übergeben hatte. Zudem habe sich der Vatikan eventuelle Hilfe für Opfer mit einem rigiden Schweigegebot erkauft. Generell müsse festgestellt werden, die Kirche habe der weltlichen Justiz "entkommen" wollen. Die Vorsitzende des Ausschusses, die norwegische Juristin Kirsten Sandberg, beschuldigte den Vatikan, seinen "eigenen Ruf" über das Wohl unschuldiger Kinder gestellt zu haben.
Dem UN-Ausschuss, so steht es in dem 16-seitigen Dokument, habe der Vatikan die notwendigen Zahlen zu den weltweiten Missbrauchsfällen verweigert. "Dringend" fordern die UN-Experten den Vatikan auf, "alle schuldigen und verdächtigen Kinderschänder sofort aus ihren Ämtern zu entfernen" und die Archive zu öffnen. Das kirchliche Personal solle geschult und Vorbeugeprogramme müssten erstellt werden. Außerdem müsse das Kirchenrecht dahingehend geändert werden, dass Kindesmissbrauch "nicht mehr nur als moralisches Vergehen, sondern als Verbrechen gilt". Ferner müssten die Opfer entschädigt werden.
Vatikan entsetzt
Der Vatikan zeigte sich überrascht von der Härte des Dokuments. Kirchendiplomat Silvano Tomasi, der am 16. Januar dem UN-Komitee in einer für den Vatikan unerhört offenen Weise Rede und Antwort gestanden hatte, argwöhnte, der Bericht sei schon "vor dem Treffen im Januar geschrieben" gewesen und er folge "einer ideologischen Linie".
Der Vatikan vertritt die Rechtsauffassung, er sei nur für die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in dem winzigen Kirchenstaat verantwortlich. Insofern könne man ihn nicht für Verstöße in anderen Ländern zur Rechenschaft ziehen. Der Heilige Stuhl hatte die Kinderrechtskonvention 1990 ratifiziert und muss sich turnusmäßigen Anhörungen vor dem Kinderrechtsausschuss stellen. 2017 soll der Heilige Stuhl über die Umsetzung der jetzt formulierten Forderungen berichten.
In einer ersten Reaktion bedauerte der Vatikan das Urteil der UN-Kommission. Der Ausschuss unternehme den Versuch, "sich in die Lehre der katholischen Kirche über die Menschenwürde und in die Ausübung der Religionsfreiheit einzumischen".