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Der Grüne Europaabgeordnete Sven Giegold hat im Parlament massiv für die EU-Delegation in die Slowakei geworben
© dpa / Bernd Thissen

Vor der Reise der EU-Delegation in die Slowakei: "Mir macht Mut, dass die Menschen in der Slowakei auf die Straße gehen"

Der Europaabgeordnete Sven Giegold kritisiert die Verbindung von organisierter Kriminalität und höchsten Regierungskreisen in der Slowakei. Ein Interview über die Möglichkeiten der geplanten EU-Mission.

Herr Giegold, nach dem Mord an einem Investigativ-Journalisten und seiner Partnerin in der Slowakei wird eine Delegation von EU-Abgeordneten vor Ort Ermittlungen aufnehmen. Was erwarten Sie davon?
Es reicht nicht, den Mord aufzuklären, sondern es geht darum, die Missstände im Land zu beheben, über die der Journalist Ján Kuciak recherchiert hat. Die slowakische Regierung muss dafür sorgen, dass die Kontakte zu mafiösen Strukturen eingestellt werden, dass in diesem Bereich Strafverfolgung herrscht und dass der Missbrauch europäischer Gelder gestoppt wird. Die Delegation wird die Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei untersuchen. Europa muss Druck auf die Regierung von Robert Fico machen, europäische Prinzipien einzuhalten.

Ist der slowakische Premierminister mitverantwortlich, dass der kaltblütige Mord geschehen konnte?
Auf jeden Fall. Die Regierung ist an etlichen Skandalen beteiligt. Robert Fico beschimpft Journalisten regelmäßig aufs Übelste. Unerträglich sind auch seine antisemitischen Ausfälle gegen George Soros. Fico wird immer mehr zum Victor Orbán der Slowakei.

Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament hat gebeten, die Reise um einen Tag zu verschieben. Warum?
Auf einen Tag kommt es nicht an. Es ist immer noch die schnellste Reaktion des Europaparlaments auf eine Grundrechtsverletzung in der EU, die es bisher gab. Viel wichtiger finde ich, dass die europäische Sozialdemokratie sich endlich eindeutig von Fico distanzieren sollte. Da gibt es ein erstaunliches Schweigen. Man muss bereit sein, auch in der eigenen Parteienfamilie klare Worte zu finden.

Braucht es Neuwahlen?
Der Maßstab ist nicht, ob neu gewählt wird, sondern ob die Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und den höchsten Regierungskreisen aufgelöst wird. Bei Korruption und schwerer Wirtschaftskriminalität herrscht in der Slowakei eine Kultur der Straflosigkeit, so wie in Malta. Das muss uns allen Sorgen machen. Auch in Deutschland haben wir das grenzüberschreitende Verbrechen. Ich finde, wir brauchen ein europäisches BKA, das grenzüberschreitende Ermittlungskompetenzen hat.

Wie kann die EU sanktionieren?
Die Kommission kann Fördergelder, die missbraucht werden, zurückfordern und Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Zudem gibt es den Vorwurf, dass es Mehrwertsteuerbetrug gab. Da kann die neue europäische Staatsanwaltschaft aktiv werden. Europaweit reden wir da über einen Schaden von mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr – und damit den größten Bereich von Wirtschaftskriminalität.

War die Slowakei überhaupt reif für den EU-Beitritt?
Mir macht Mut, dass die Menschen in der Slowakei auf die Straße gehen – wie auch in Rumänien, Bulgarien und in Polen. Das zeigt, dass die Bevölkerung Teil Europas ist. Es gibt aber mächtige Einzelinteressen, bis in die höchsten Regierungskreise, die offensichtlich noch nicht in Europa angekommen sind. Wir müssen auf Seiten der Bürger stehen, die für die europäischen Werte demonstrieren. Das ist ja auch ein Grund für diese Reise.

Sven Giegold ist seit 2009 für die Grünen Abgeordneter im Europaparlament und dort Berichterstatter für Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht der EU-Institutionen. Er hat sich dafür eingesetzt, dass nach dem Mord an einem Investigativ-Journalisten in der Slowakei eine EU-Delegation in das Land geschickt wird.

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