Die Grünen und die Regierungskrise: "Mir fehlt derzeit jegliche Phantasie, wie Grüne in dieses Chaos einsteigen wollen"
Die Grünen wären bereit, im Falle eines Scheiterns der großen Koalition Verantwortung zu übernehmen. Doch zugleich ist die Skepsis groß, dass mit CDU und SPD ein Neuanfang gelingen könnte.
Die Grünen stünden grundsätzlich für Gespräche über eine Regierungsbeteiligung zu Verfügung, falls die große Koalition scheitern sollte. „Wir sind immer bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es sich lohnt“, sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck im ZDF-Morgenmagazin. Es müsse dann aber auch eine „grüne Regierung“ sein, seine Partei werde keinen CSU-Koalitionsvertrag übernehmen. Der Parteichef machte zugleich keinen Hehl daraus, dass er eine Koalition mit CDU und SPD mit Skepsis sieht. Auch seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock sagte, ihr fehle im Moment „jegliche Phantasie darüber zu beraten, wie Grüne in dieses Chaos einsteigen wollen“.
In der Grünen-Führung überwiegt ohnehin die Einschätzung, dass CDU und CSU sich zusammenraufen werden. Habeck sagte, er gehe davon aus, dass die „Selbsterhaltungstriebe“ zu groß seien, um es bis zum Äußersten kommen zu lassen. Ein neuer Innenminister müsse auch nicht zwangsläufig den Kurs von Horst Seehofer fortsetzen. Aber keiner könne im Moment sicher sein, was passiere.
Die Grünen würden Merkel bei der Vertrauensfrage nicht stützen
Deshalb stellen die Grünen auch Gedankenspiele an für den Fall, dass es zum Bruch käme. Sollte Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, würden die Grünen sie nicht stützen, schließlich seien sie ja nicht Teil der Koalition, heißt es in der Partei. Doch bevor es zu Neuwahlen käme, wären sie bereit, mit SPD und CDU über eine Regierungsbildung zu beraten. Zwar könnten die Grünen momentan hoffen, ein deutlich besseres Ergebnis als bei der letzten Bundestagswahl zu erzielen. Doch in der Partei gibt es auch die Befürchtung, dass in der Bevölkerung der Politikverdruss steigen würde und die AfD von einer solchen Stimmung profitieren könnte. Eine Minderheitsregierung, wie sie nach dem Jamaika-Aus kurz in der Diskussion war, sieht Parteichef Habeck hingegen skeptisch. Das bedeute letztlich immer, dass man die Politik der anderen Parteien mittragen müsse, aber keine operative Verantwortung habe, sagte er: „Das ist kein attraktives Angebot.“
Große Hürden in der Europapolitik und beim Thema Flucht und Migration
Die größten inhaltlichen Hürden für eine Kenia-Koalition zwischen CDU, SPD und Grünen sieht Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter in der Europapolitik, sowie beim Thema Flucht und Migration. Selbst wenn die CSU nicht mit am Tisch säße, wären an dieser Stelle Konflikte auch mit der CDU zu erwarten. Etwas gelassener sieht man bei den Grünen das Thema Klimaschutz, bei dem die Ökopartei im Fall einer Regierungsbeteiligung Erfolge vorweisen müsste. Doch in den Jamaika-Gesprächen im letzten Herbst waren die Grünen beim Kohleausstieg nach eigener Einschätzung relativ weit gekommen, trotz des massiven Widerstands der FDP und einiger CDU-Ministerpräsidenten. An die damals erzielten Verhandlungsergebnisse würden sie auch in Gesprächen mit der SPD und der CDU anknüpfen wollen.
Grünen-Chef Habeck bezeichnete es als „erstaunlich“, dass die Union sich derzeit so chaotisch benehme wie die Grünen in ihren Anfangsjahren. Die Grünen hingegen versuchten nun das zu sein, was man bisher immer den Unionsparteien zugeschrieben habe – eine „Stimme der Vernunft“, die Solidität und Stabilität ins System reinbringen wolle.