Regieren ohne Mehrheit: Minderheitsregierung - was ist das?
Wenn die Gespräche über eine große Koalition scheitern, dann könnte es eine Minderheitsregierung geben. Was aber ist das genau?
Am Donnerstagabend will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Spitzen von CDU, CSU und SPD über die Bildung einer großen Koalition sprechen. Vor allem in der Sozialdemokratie gibt es dagegen noch große Vorbehalte. Alternativ dazu könnte die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Minderheitsregierung bilden. Allerdings lehnt sie das mit Blick auf fehlende Stabilität ab. Für Minderheitsregierungen gibt es in Deutschland auf der Bundesebene keine Vorbilder. Zwar wurde bereits dreimal derart regiert, allerdings in jedem Fall nur für eine kurze Zeit.
Mit einer fehlenden Mehrheit im Parlament zu regieren, bedeutet für eine Koalition oder – im aktuellen Fall – für die Union, sich für jedes Gesetzesvorhaben bei anderen Fraktionen Mehrheiten suchen zu müssen und diese gegebenenfalls mit inhaltlichen Zugeständnissen oder womöglich auch sachfremden Zusagen, etwa in anderen strittigen Fragen, einzuwerben. Leicht verständlich, dass das einer Minderheitsregierung umso leichter fällt, je weniger Stimmen sie zur Mehrheitsbildung benötigt.
Mehrheit von 355 Stimmen notwendig
Nach der Bundestagswahl im September benötigt ein Gesetz von den insgesamt vorhandenen 709 Stimmen mindestens die Mehrheit von 355 Stimmen. Wäre Merkels Union zum Regieren mit einer Minderheit allein gezwungen, müssten sie und Unionsfraktionschef Volker Kauder 109 Stimmen in anderen Fraktionen finden, um ein Gesetz beschließen zu können. Nur die SPD hätte mit 153 Sitzen ausreichend Mandate dafür, um den 246 Stimmen von CDU und CSU zu einer Mehrheit zu verhelfen. Aber auch für den Fall, dass Merkel eine der Parteien, mit denen sie die Bildung einer Jamaika-Koalition sondiert hat, zur gemeinsamen Bildung einer Minderheitsregierung überreden würde, wäre die zur Mehrheit fehlende Stimmenzahl noch immer groß; bei einer schwarz-gelben Koalition mit der FDP 29 Stimmen, bei Schwarz-Grün sogar 42 Stimmen.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) befürwortet ein weiteres Modell der Minderheitsregierung: die Tolerierung, auch Duldung genannt. In „wichtigen, staatstragenden“ Themen könne sich die SPD mit der Union verständigen, schlug Dreyer vor und warb dafür, „Mut“ zu haben „für einen neuen Weg“. Im Prinzip liefe dieses Modell auf das Gleiche hinaus wie bei einer „klassischen“ Minderheitsregierung. Allerdings mit einem Unterschied: Die SPD würde der Union – natürlich ebenfalls nicht ohne Gegenleistung – etwa in europapolitischen Fragen oder beim Beschluss über den Bundeshaushalt Zustimmung zusagen. Einen sogenannten vierten Weg hat der SPD-Linke Matthias Miersch ins Spiel gebracht. Er sprach von einer Kooperation, etwa zwischen Union und SPD, in der schon vorher die Themenfelder festgelegt werden, in denen die Partner gemeinsam stimmen. Für alle anderen Bereiche müsste sich die Minderheitsregierung von Fall zu Fall auch in anderen Fraktionen Stimmen zur Mehrheit suchen.