zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz am Abend der Bundestagswahl
© dpa/Gero Breloer/Pool AP
Update

Union und SPD: Das Pokern um die große Koalition 3.0 hat begonnen

Die CDU-Spitze strebt nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung eine große Koalition an. CDU-Vize Klöckner erwartet Gespräche darüber erst 2018. Die umworbene SPD stellt Bedingungen.

Die engste CDU-Spitze befürwortet nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen einhellig Gespräche mit der SPD über die Bildung einer großen Koalition. Es habe große Einigkeit gegeben, dass es Priorität sei, diese Gespräche erfolgreich zu führen, und es gebe Zuversicht, dass Verhandlungen zu einem Erfolg führen könnten, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am späten Sonntagabend nach viereinhalbstündigen Beratungen des Präsidiums seiner Partei in Berlin.

Die Verhandlungen seien zwar ergebnisoffen, und man wisse nicht, ob man am Ende zusammenkomme. Die CDU habe aber die feste Absicht, dass es eine handlungsfähige Regierung gebe - und keine Minderheitsregierung. „Sondern es ist definitiv ein Bündnis, das sich auf eine parlamentarische Mehrheit bezieht - und das wäre eine große Koalition“, sagte Günther. Günther, der in Kiel eine Jamaika-Koalition führt, forderte auch die eigenen Reihen auf, nun zurückhaltend mit dem Aufstellen von Hürden für die Verhandlungen umzugehen. Wenn es die Forderung an die SPD gebe, jetzt keine roten Linien zu ziehen, „dann wäre es jetzt nicht klug, wenn wir von unserer Seite aus so agieren“.

Klöckner erwartet Gespräche erst im neuen Jahr

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner geht von möglichen Gesprächen mit der SPD über eine große Koalition erst im neuen Jahr aus. „Dann sollte es überall grünes Licht geben, dass man über eine Koalition verhandelt“, sagte die rheinland-pfälzische Landesparteichefin am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit.

Die SPD, die sich nach der Bundestagswahl vor zwei Monaten zunächst auf eine Rolle in der Opposition festgelegt hatte, brauche noch etwas Zeit, sagte Klöckner und verwies etwa auf den Parteitag der Sozialdemokraten in knapp zwei Wochen: „Man hätte danach nur eine Woche bis zur Winterpause.“

SPD sieht keinen Automatismus für Schwarz-Rot

Schon über das gesamte Wochenende hatten sich Union und SPD auf den Weg zur Fortsetzung ihrer Koalition gemacht. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) betonten, dass Neuwahlen keine Lösung für die aktuelle Regierungsfindungskrise seien. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Bild am Sonntag“: „Ein Bündnis von Union und SPD ist die beste Variante für Deutschland.“ Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition hatte die SPD sich im Verlauf der vergangenen Woche von ihrer Ankündigung distanziert, nach dem schwachen Wahlergebnis in die Opposition zu gehen und kein neues Bündnis mit der CDU/CSU anzustreben.

Als Hauptgrund, dies nun doch zu tun, nennen führende Sozialdemokraten jetzt die Notwendigkeit, „dass es eine stabile Lage in Deutschland gibt“, wie Gabriel am Sonntag bei einer Veranstaltung der „Zeit“ in Hamburg sagte.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sieht ihre Partei dabei in einer guten Verhandlungsposition, will aber auch über die Alternativen zu einer großen Koalition beraten: „Die Kanzlerin muss sich fragen, mit welcher Haltung sie in Gespräche geht. Bei Lage der Dinge ist Angela Merkel auch nicht in der Position, der SPD Bedingungen zu stellen“, sagte Dreyer dem Tagesspiegel. „Eine große Koalition ist kein Automatismus, sondern die Ultima Ratio.“ Im ZDF sagte sie, die Parteichefs von CDU, CSU und SPD müssten am Donnerstag mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch über Alternativen sprechen: „Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir einen guten Weg gemeinsam gehen könnten, wenn wir die neue Bundesregierung dulden.“ In „wichtigen, staatstragenden“ Themen könne man sich verständigen, aber „wir sollten Mut haben auch mal für einen neuen Weg“, sagte Dreyer. Die SPD tue sich „sehr, sehr schwer mit der großen Koalition“.

Stegner: Familiennachzug zulassen

Eine ganze Reihe von Sozialdemokraten nannte Bedingungen für eine Koalition. Parteivize Ralf Stegner erklärte, für seine Partei komme eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz nicht in Frage. „Der Familiennachzug von Eltern und minderjährigen Kindern gehört zu den humanitären Verpflichtungen, bei denen es keine Abstriche geben kann. Das müssen alle wissen, die mit uns reden.“ Dies bedeute aber nicht, dass alle Flüchtlinge auf Dauer in Deutschland bleiben könnten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder versprach in der ARD, den Familiennachzug nicht mit Hilfe der AfD zu verhindern – betonte aber, dass die Union die Aussetzung verlängern wolle.

Als weitere Bedingungen wurden von SPD-Politikern genannt: Einführung der Bürgerversicherung im Gesundheitswesen, Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, höhere Investitionen in Bildung, Wohnungsbau und den Breitbandausbau, die Solidarrente. Zudem will die SPD Bezieher unterer und mittlerer Einkommen steuerlich entlasten – ein Vorhaben, das auch Merkel und die Union unterstützen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier warnte: „Wer sich jetzt zum Scheinriesen aufbläst und sozusagen ununterbrochen fordert“, dem wolle er sagen: „Er soll's nicht übertreiben.“

Jusos wollen keine GroKo, Junge Union stellt Ultimatum bis Weihnachten

Der neue Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert warnte die SPD vor einem Bündnis mit der Union. „Der erneute Gang in eine große Koalition würde unsere Glaubwürdigkeit so schwer beschädigen, dass sich die SPD davon lange Zeit nicht mehr erholen könnte“, sagte er dem Tagesspiegel.

Die Junge Union forderte in einem Papier, dem sich CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn anschloss, Gespräche mit der SPD müssten schnell beginnen und bis Weihnachten abgeschlossen sein. Sollte eine Einigung bis dahin nicht stehen, seien die Verhandlungen als gescheitert anzusehen. Die Handschrift der Union müsse in einem Koalitionsvertrag „klar erkennbar“ sein. Sollte es nicht zu einer erneuten Koalition mit der SPD kommen, müssen CDU und CSU so schnell wie möglich eine Minderheitsregierung anstreben“, heißt es weiter in dem Papier. Gemeint ist damit eine rein schwarze Minderheitsregierung, also ohne Beteiligung von Grünen oder FDP. Merkel wurde aufgefordert, in Regierung, Fraktion und Partei eine personelle Erneuerung zu beginnen.

Zur Startseite