Im Schatten der Grundrente: Millionen Betriebsrentner werden bei Doppelverbeitragung entlastet
Die Doppelverbeitragung für Betriebsrentner wird nicht abgeschafft, aber gemildert - mit Hilfe eines Freibetrags. Die Idee hatte die Union.
Im Schatten der Grundrente ging am Montag eine weitere Einigung der Koalitionsspitzen zur Alterssicherung fast unter – obwohl sie die Beitragszahler beinahe genauso viel kostet. Union und SPD verständigten sich überraschend auch darauf, die sogenannte Doppelverbeitragung für Betriebsrenten zu verringern. Dadurch bekommen Millionen von Ruheständlern nun ihre Krankenkassenbeiträge abgesenkt. Sie werden pro Jahr um 1,2 Milliarden Euro entlastet.
Man habe sich darauf verständigt, „um die Akzeptanz für und das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge zu stärken“, heißt es etwas verschwiemelt im Koalitionsbeschluss. Vor 15 Jahren nämlich hatten die Regierenden (konkret: SPD und Grüne) ebendieses Vertrauen mächtig geschwächt. Sie brummten Betriebsrentnern und Direktversicherten damals auf ihre zusätzlichen Altersbezüge zum Arbeitnehmeranteil für die Krankenkassen auch noch den der Arbeitgeber auf.
Merkel hatte sich bis zuletzt gesperrt
Und Kanzlerin Angela Merkel sperrte sich bis zuletzt, dieses teure Ärgernis für mehr als sechs Millionen Menschen wieder zu beseitigen – obwohl die gesetzlichen Kassen längst saniert waren und die zusätzlichen Einnahmen gar nicht mehr benötigten. Da halfen weder Parteitagsbeschluss noch Appelle von Gesundheitsminister und Wirtschaftsflügel.
Nun also wenigstens ein Kompromiss. Die Betriebsrentner müssen zwar immer noch mehr als den hälftigen Kassenbeitrag abdrücken. Sie bekommen nun aber statt der bisherigen Freigrenze von 155,75 Euro im Monat einen echten Freibetrag in gleicher Höhe bewilligt. Der Unterschied: Die Freigrenze bewahrte nur Rentner mit darunterliegenden Auszahlbeträgen vor der Beitragsverpflichtung. Der Freibetrag gilt für alle Betriebsrentner bis zu dieser Grenze, unabhängig von ihrer Gesamtrente.
60 Prozent der Betriebsrentner zahlen künftig nur noch halben Beitragssatz
Den Effekt ihres Kompromisses haben die Verhandler schon mal in ihrem gemeinsamen Papier beschrieben: Rund 60 Prozent der Betriebsrentner zahlten dadurch faktisch nur noch maximal den halben Beitragssatz. Und auch die weiteren 40 Prozent würden „spürbar entlastet“. Wobei es sich nur um künftige Renten handelt: Rückwirkend gilt die Regelung nicht, da sie sonst viel zu teuer geworden wäre.
Die Einigung entlaste vor allem die Bezieher kleiner Betriebsrenten, sagte der SPD-Rentenexperte Ralf Kapschack dem „Handelsblatt“. Und auch alle andern profitierten. „Deshalb kann ich mit diesem Ergebnis gut leben.“ Emmi Zeulner (CSU) und Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) lobten den Beschluss ebenfalls. „Dieses Signal war dringend nötig, um verloren gegangenes Vertrauen in die Politik zurückzuholen“, meinten sie.
Union setzte sich mit Freibetrags-Idee durch
Tatsächlich hatte die SPD mehr gefordert, sie wollte die Doppelverbeitragung komplett rückgängig gemacht haben. Die Freibetrags-Idee kam aus der Union, die sich damit ihr Entgegenkommen bei der Grundrente entlohnen ließ. Und es bleibt ein weiterer Wermutstropfen, den auch die CSU beklagt. Die Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden werden nämlich nicht aus Steuern, sondern vollständig von den Beitragszahlern aufgebracht. Heißt: Gering verdienende Versicherte, die nie die Möglichkeit hatten, eine betriebliche Altersvorsorge abzuschließen, müssen nun auch die Entlastung von besser Gestellten mitbezahlen.
Damit die Kassen nicht schlagartig überfordert sind, sollen für den Freibetrag erst mal die Reserven im Gesundheitsfonds angezapft werden. Im Jahr 2021 sollen für diesen Zweck daraus 900 Millionen Euro fließen, im Folgejahr 600 Millionen und im Jahr 2023 wären es 300 Millionen.
Gleichwohl protestieren die gesetzlichen Versicherer. "Das politische Ziel der Förderung der betrieblichen Alterssicherung teilen wir", sagte der Sprecher ihres Spitzenverbandes, Florian Lanz, auf Tagesspiegel-Anfrage. Allerdings fehle die Gegenfinanzierung aus Steuermitteln. Zumal die Kassen mit höheren Folgekosten als die Regierung rechnen. Der Koalitionsbeschluss werde bei den Krankenkassen zu Beitragsausfällen von mehr als 1,4 Milliarden Euro führen, betonte Lanz.