Alexander Lukaschenko trifft Wladimir Putin: Milliardenkredit vom „großen Bruder“
Russlands Präsident Putin verspricht dem belarussischen Machthaber 1,3 Milliarden Euro und fordert, dass die Krise in Belarus intern gelöst werde.
Russland und Belarus streben auch weiterhin eine enge Partnerschaft in Wirtschaftsfragen und beim Militär an. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte dem umstrittenen belarussischen Staatsoberhaupt Alexander Lukaschenko bei einem Treffen am Montag in Sotschi eine enge Zusammenarbeit zu, wie die Agentur RIA meldete. Dies gelte für die Verteidigung wie auch für Handel und Investitionen.
Dabei bewilligte Putin seinem Kollegen einen Kredit von rund 1,3 Milliarden Euro. Zugleich forderte Putin, dass die Krise in Belarus intern und ohne ausländische Einmischung gelöst werden müsse. Lukaschenko dankte Putin im Gegenzug für die Unterstützung Russlands. Die jüngsten Ereignisse zeigten, wie wichtig die Verbindung beider Länder sei, wurde der belarussische Präsident von RIA zitiert.
Putin sprach sich aufgrund der angespannten Lage auch für eine Verfassungsreform in Belarus aus. „Ich denke, das ist logisch, zeitgemäß und angemessen“, sagte der Kremlchef. Mögliche Veränderungen schloss Lukaschenko bereits mehrfach nicht aus. Auch bei dem Treffen mit Putin betonte er seine Absicht, dies voranzutreiben. Die Opposition ist aber überzeugt, dass er mit diesen Versprechen nur Zeit gewinnen wolle.
Erneut warnte der russische Staatschef in Sotschi vor einer Einmischung des Auslands in den Machtkampf zwischen Lukaschenko und der Opposition. Die Menschen in Belarus sollten die "Situation" im gemeinsamen Dialog und ohne "Druck von außen" klären, sagte er. Videoaufzeichnungen des Gesprächs zeigen zugleich einen gelangweilt wirkenden und mit keinem Wort reagierenden Putin, als Lukaschenko versucht, die Gefahr einer militärischen Bedrohung seines Landes durch den Westens auszumalen.
Für Spekulationen sorgte die Nachricht, Russland ziehe seine Reservistentruppen von der Grenze zu Belarus ab. Die nach dem Ausbruch der Massenproteste in der ehemaligen Sowjetrepublik entsandten zusätzlichen Beamten und Nationalgardisten würden wieder abrücken, sagte Kreml-Sprecher Peskow am Montag.
Präsident Wladimir Putin hatte Ende August die Einheiten zur Verstärkung an die Grenze beordert, damit sie im Notfall eingreifen könnten.
Womöglich signalisiert Russlands mit dem Truppenabzug seine Annahme, dass Lukaschenko mit dem harten Vorgehen seiner Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten die Lage so weit in den Griff bekommen hat, dass er an der Macht bleiben kann. Der angekündigte Abzug könnte auch verdeutlichen, dass Russland eher an einer finanziellen Unterstützung des Nachbarn gelegen ist, als sich mit Gewalt in den Konflikt einzuschalten.
Seit sich der mit harter Hand regierende Lukaschenko Anfang August zum Wahlsieger erklären ließ, reißen die Proteste gegen ihn nicht ab.
UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hat eine Untersuchung der Foltervorwürfe verlangt, die gegen belarussische Sicherheitskräfte erhoben worden sind. „Angesichts ihres Ausmaßes und ihrer Zahl sollten alle Vorwürfe von Folter und anderen Misshandlungen durch Sicherheitskräfte dokumentiert und untersucht werden, um die Täter vor Gericht zu bringen“, forderte Bachelet am Montag bei der Eröffnung der 45. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf.
[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty. ]
Der UN-Menschenrechtsrat stimmte zudem der Forderung der EU nach einer Dringlichkeitssitzung zur sich verschlechternden Menschenrechtslage in Belarus zu. Sie soll am kommenden Freitag stattfinden.
Nach Angaben des Gremiums stimmten 25 der 47 Mitglieder des Menschenrechtsrats für die Sondersitzung, zwei stimmten dagegen, 20 weitere Mitglieder enthielten sich. Am vergangenen Freitag hatte bereits UN-Generalsekretär António Guterres die Behörden in Belarus aufgerufen, „von der Anwendung von Gewalt“ gegen friedliche Demonstranten abzusehen. „Vorwürfe der Folter und anderer Misshandlungen von Menschen in Haft“ sollten vollständig untersucht werden, sagte Guterres.
Die Europäische Union erkennt das Ergebnis der Präsidentenwahl nicht an
Für Lukaschenko ist es die schwerste Krise in seiner 26 Jahre währenden Amtszeit. Am Sonntag hatten erneut mindestens 100 000 Menschen in der belarussischen Hauptstadt Minsk protestiert und die Freilassung inhaftierter Oppositioneller verlangt. Allein in Minsk wurden 500 von ihnen in Gewahrsam genommen, insgesamt 774. In Berlin forderte Regierungssprecher Steffen Seibert einen Gewaltverzicht der Sicherheitskräfte. Die politischen Gefangenen müssten zudem unverzüglich freigelassen und ein nationaler Dialog aufgenommen werden.
Die Europäische Union erkennt das Ergebnis der Präsidentenwahl nicht an. Kritiker werfen Lukaschenko Wahlbetrug vor und verlangen seinen Rücktritt. Er weist die Vorwürfe zurück und hat erklärt, hinter den Protesten stünden ausländische Kräfte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief erneut zu einer politischen Lösung in Belarus auf. Diese sollte ohne Einflussnahme von außen erfolgen. In einem Telefonat zwischen Macron und Putin seien sich beide Präsidenten einig gewesen, dass es eine friedliche Lösung in Belarus geben müsse, teilte das Präsidialamt in Moskau mit.
[Die Coronavirus-Krise ist auch für die Politik eine historische Herausforderung. Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier. ]
Allerdings gehen die Sicherheitskräfte in Belarus massiv gegen die Opposition vor, etliche ihrer Führungspersönlichkeiten wurden inhaftiert, darunter Maria Kolesnikowa.
Andere wie Swetlana Tichanowskaja, die die Demonstranten als wahre Wahlsiegerin ansehen, haben sich im Ausland in Sicherheit gebracht.
Sie erklärte am Montag über den sozialen Mediendienst Telegram, keinerlei Abmachung zwischen Lukaschenko und Putin habe Bestand. Jegliche Vereinbarung würde von einer neuen Führung umgestoßen. (rtr/dpa)