Bericht der Europäischen Kommission: Migrantenzahl aus Türkei in EU um 23 Prozent gestiegen
Seehofer bemüht sich, eine Verteilung der Flüchtlinge zu organisieren. Doch die Zahl der Migranten aus der Türkei steigt in der EU stetig. Brüssel rügt Athen.
Die Zahl der Migranten, die aus der Türkei in die EU gekommen sind, ist einem Medienbericht zufolge in diesem Jahr stark gestiegen. Zwischen Januar und September habe es einen Anstieg um 23 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum gegeben, berichtete die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf einen "Situationsbericht" der Europäischen Kommission.
Griechenland erwartet bis Jahresende offenbar 25.000 weitere Flüchtlinge
Demnach trafen in dem Zeitraum insgesamt 46.546 Migranten aus der Türkei in der EU ein. Zwischen Januar und September 2018 waren es hingegen 37.837. Der Großteil, rund 45.000 Menschen, sei nach Griechenland geflohen, rund 1300 nach Italien und knapp 200 nach Bulgarien. Die Mehrzahl der Migranten seien Afghanen, gefolgt von Syrern und Irakern, berichtete die Zeitung.
Allein in der Woche zwischen dem 23. und 29. September trafen demnach 3710 Menschen in Griechenland ein, dies sei ein Rekord seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens im Frühjahr 2016. Dem Kommissions-Bericht zufolge rechnet das griechische Migrationsministerium zudem bis zum Jahresende mit "ungefähr 25.000 weiteren Migranten in Griechenland", wie das Blatt berichtete.
Die EU-Kommission kritisiere deutlich, dass trotz der Rekord-Ankünfte in Griechenland aus der Türkei lediglich 102 Menschen nach den Regeln des EU-Türkei-Abkommens in den ersten neun Monaten in die Türkei zurückgeführt wurden, berichtete die "Welt am Sonntag" weiter. Dies sei der niedrigste Wert seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens.
"Das Tempo der Rückführungs-Operationen von Griechenland in die Türkei bleibt in kritischer Weise langsam", schreibt die EU-Kommission demnach. Effektive Rückführungen erforderten koordinierte Maßnahmen der griechischen Behörden.
Die meisten Migranten stammen aus Afghanistan
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte zuvor berichtet, allein im September hätten mehr als 10.000 Flüchtlinge die griechischen Inseln aus der Türkei erreicht. Dies seien mehr als in jedem anderen Monat seit Abschluss des Flüchtlingsdeals gewesen. Mit Abstand die größte Flüchtlingsgruppe waren demnach Afghanen.
Ankara und Brüssel hatten sich im März 2016 auf ein Abkommen geeinigt, das die illegale Einwanderung von zumeist syrischen Flüchtlingen über die Türkei nach Europa einschränken soll. Demzufolge sollen illegal eingereiste Migranten zurück in die Türkei geschickt werden können. Die EU wollte im Gegenzug syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Sie sagte Ankara zudem sechs Milliarden Euro über mehrere Jahre für die Versorgung der Flüchtlinge zu.
Seehofer derzeit sehr aktiv in Flüchtlingsfrage
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Freitag bei seinem Athen-Besuch die Motive für seinen aktuellen Einsatz in Sachen Flüchtlingskrise dargelegt. Ein stabiler Flüchtlingspakt mit der Türkei und Hilfe an Länder mit EU-Außengrenzen dienten auch deutschen Interessen: "Wenn wir Griechen und Türken helfen, ist das solidarisch gegenüber euch, aber hilft auch uns", sagte er vor griechischen Journalisten. Der Innenminister war in der Türkei und in Griechenland zu Gesprächen über den wackelnden Flüchtlingspakt.
Die Grünen finden die aktuellen Bemühungen von Seehofer für eine neue EU-Flüchtlingspolitik richtig - doch in einem Punkt sind sie skeptisch. „Es ist gut, dass Seehofer endlich verstanden hat, dass es eine europäische Lösung braucht, und dass das Dublin-Verfahren nicht funktioniert“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Zahl türkischer Flüchtlinge sei eine deutsche Unterstützung für die Türkei beim Grenzschutz aber falsch.
„Wenn wir der Türkei bei der Versorgung und Integration syrischer Flüchtlinge helfen, dann ist das richtig. Wir dürfen aber nicht dazu beitragen, dass verfolgte Türken ihr Land nicht mehr verlassen können“, warnte Amtsberg. Im August hatten 1306 türkische Staatsbürger in Deutschland Asyl beantragt. Damit stellten sie nach den Syrern (2927) die zweitgrößte Gruppe. Seehofer hatte bei seinem Besuch in Ankara am Donnerstag gesagt, die türkische Regierung werde eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Denkbar sei beispielsweise Unterstützung bei der Grenzüberwachung. (AFP, dpa)