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Viele Türken der sogenannten Gastarbeitergeneration sind in Deutschland heimisch geworden. Ihre Kinder sind es sowieso.
© ddp

Sozialbericht für Deutschland: Migranten sind trotz Armut und Diskriminierung optimistisch

Der Sozialbericht namhafter Forschungseinrichtungen zeigt, dass Migranten noch immer schlechtere Chancen haben. Was muss sich ändern, um ihre Situation zu verbessern?

Die Migration nach Deutschland hat nicht erst mit den aktuellen Flüchtlingsbewegungen begonnen. Viele Zuwanderer leben bereits in der dritten Generation in der Bundesrepublik. Und der überwiegende Teil von ihnen, 80 Prozent, will nicht in das ursprüngliche Herkunftsland zurückkehren.

Das Statistische Bundesamt, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und die Bundeszentrale für politische Bildung haben in ihrem Datenreport 2016 daher einen besonderen Fokus auf die Lebensbedingungen dieser Bevölkerungsgruppe gelegt. „Es geht dabei auch um die Frage, was können wir für Geflohene heute besser machen als für Zuwanderer der 1. und 2. Generation“, sagte WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger bei der Vorstellung des Sozialberichts am Dienstag in Berlin.

16,4 Millionen Menschen in Deutschland haben heute einen Migrationshintergrund, das sind rund 20 Prozent. Jedes dritte Neugeborene hat mindestens einen Elternteil mit ausländischen Wurzeln. Für Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, vollzieht sich damit ein demografischer Wandel, der Deutschland verändert. Die Diskussion, ob Deutschland Zuwanderung braucht oder will, ist damit aus seiner Sicht hinfällig. Nun müsse der Transformationsprozess „diskutiert und ausgehandelt werden“.

Das Wir muss verhandelt werden

„Die Beantwortung der Frage nach einem neuen gesellschaftlichen Wir ist entscheidend für unsere Zukunftsfähigkeit“, sagte Krüger. Vieles hänge davon ab, wie offen und durchlässig die Mehrheitsgesellschaft für Menschen mit Migrationshintergrund sei. Integration könne nur beidseitig erfolgen. Für die junge Generation sei dies selbstverständlich. „An Schulen ist die postmigrantische Gesellschaft längst Alltag.“

Bei Erwachsenen sieht Krüger indes zum Teil tief verwurzelte „völkisch anmutende Anschauungen“, die durch die Flüchtlingskrise noch verschärft würden, wie die von der Pegida-Bewegung und Rechtspopulisten angefachte Diskussion über Zuwanderung zeige. „Wie in einem Brennglas zeigt sich in dieser Diskussion eine tief sitzende grundsätzliche Abwehrhaltung gegen alles, was anders und fremd ist.“

Für Zuwanderer, und zwar nicht nur für Flüchtlinge, hat die negative Grundhaltung weitreichende Folgen. Der aktuelle Datenreport belegt beispielsweise, dass Migranten auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden. WZB-Präsidentin Allmendinger kritisierte zudem die nach wie vor mangelhafte Transparenz des deutschen Bildungssystems. Trotz guter Leistungen würden Migrantenkinder oft nicht ausreichend gefördert. Auch das ein klarer Fall von Diskriminierung, wie sie sagte.

Risiko Altersarmut

Nicht zuletzt mit Blick auf die besondere Situation von Flüchtlingen, die oft schon an Sprachbarrieren scheiterten und meist keine mit deutschen Standards vergleichbaren Abschlüsse vorweisen könnten, mahnten die Herausgeber des Datenreports strukturelle Reformen des Bildungssystems an. „Bildung ist entscheidend für die Integration von Migrantinnen und Migranten“, sagte Sibylle von Oppeln-Bronikowski vom Statistischen Bundesamt.

Die Ergebnisse des von ihr vorgestellten Sozialberichts belegen das. Demnach leben vor allem ältere Migranten der sogenannten Gastarbeitergeneration in Armut. Der Grund: Fast zwei Drittel der Zuwanderer, die in den 1950er und 1960er Jahren aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Spanien, Italien und Griechenland nach Deutschland kamen, waren ungelernte Arbeiter. Ihr Einkommen war gering, die Rente ist es nun auch. Spätaussiedlern geht es dagegen etwas besser – weil sie besser qualifiziert sind.

Angesichts schlechter Bildungschancen sind auch viele jüngere Migranten schlecht ausgebildet. Insgesamt hat mehr als ein Drittel aller Migranten keinen Beruf erlernt. Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind nur neun Prozent ohne Abschluss. Migranten sind denn auch häufiger arbeitslos und verdienen durchschnittlich weniger als ihre Mitbürger.

Überraschend mag da ein weiteres Ergebnis des umfangreichen Datenreports klingen: Migranten sehen positiver in die Zukunft als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Die Wissenschaftler vom WZB erklären dies damit, dass viele der Migranten ihre Lebensverhältnisse in Deutschland vor allem mit denen von Freunden und Verwandten in ihren jeweiligen Herkunftsländern vergleichen. Deutschland schneide dabei trotz allem offenbar deutlich besser ab.

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