Streit in Berlins Senatskoalition: Mietendeckel stürzt Rot-Rot-Grün ins Chaos
Der Senat kann sein Eckpunktepapier zum Mietendeckel nicht wie geplant verabschieden. Die Koalitionspartner überbieten sich mit Schuldzuweisungen. Was ist los?
Am Tag vor der Senatssitzung, in der das Eckpunktepapier für einen „Mietendeckel“ in Berlin beschlossen werden sollte, ist es zu heftigen Auseinandersetzungen in der rot-rot-grünen Koalition gekommen. Im Ergebnis soll am Dienstag nur jener Teil des Papiers abgesegnet werden, in dem sich der Senat in allgemeiner Form zum Mietenmoratorium bekennt. Strittige Details der Vorlage, die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) erarbeitet hatte, sollen erst einmal mit „Prüfaufträgen“ versehen werden.
Zu den umstrittenen Punkten zählen beispielsweise Regelungen zur energetischen Sanierung, zur möglichen Absenkung von Mieten, zur Ausklammerung des Neubaus aus dem Mietenstopp und ein Härtefallregeleung zugunsten der Vermieter. Über das Eckpunktepapier zum „Mietendeckel“ wird in Berlin seit Wochen kontrovers diskutiert, der Senat wollte das Konzept am Dienstag beschließen – als Grundlage für ein Landesgesetz.
Doch am Montag kam alles anders. Die Koalitionspartner überboten sich auf einmal mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. In der SPD hieß es, die Senatsverwaltungen für Umwelt (Regine Günther), Wirtschaft (Ramona Pop) und Stadtentwicklung (Katrin Lompscher) hätten in der Staatssekretärskonferenz, die die Senatssitzung vorbereitet hat, die Mitzeichnung für das Eckpunktepapier verweigert. Führende Sozialdemokraten zeigten sich von der Entwicklung völlig überrascht. Gewiss gebe es zu einzelnen Punkten unterschiedliche Meinungen innerhalb der Koalition, aber diese könnten doch im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren ausgeräumt werden.
Offenbar hat der Senatskanzleichef die Reißleine gezogen
Die Grünen versicherten, dass sie – wie die Linken – trotz vereinzelter Kritik voll hinter dem Eckpunktepapier stünden und man bereit sei, das Papier in der ursprünglichen Fassung zu beschließen. Beide Koalitionspartner warfen der SPD eine „Rolle rückwärts“ vor. Denn in der Staatssekretärskonferenz habe Senatskanzleichef Christian Gaebler (SPD) „die Reißleine“ gezogen. Dahinter stecke die „Betonfraktion“ des SPD-Landesverbandes, schimpften Grünen-Politiker. In der SPD gibt es tatsächlich Bestrebungen für einen weniger radikalen Mietendeckel, mit einem Spielraum für Mieterhöhungen von zwei Prozent pro Jahr.
„Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften würden sonst jährlich bis zu 150 Millionen Euro weniger einnehmen“, sagte der Vorsitzende des Fachausschusses Soziale Stadt, Volker Härtig, (SPD). Mit dieser Summe könnten Investitionen in Höhe von 600 Millionen Euro finanziert werden. „Das sind 3000 Wohnungen.“ Solche Argumente haben wohl Wirkung gezeigt. Denn die sechs landeseigenen Firmen errichten die Neubauten zu günstigen Mieten, an denen es in Berlin fehlt. Dasselbe gilt für die Genossenschaften, die Wohnungen zu günstigen Mieten anbieten und ihre „Gewinne“ in den Bestand investieren müssen – oder in Neubau. Auch sie haben vor hohen Millionenverlusten gewarnt, die einige Genossenschaften in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen könnten, falls der Mietendeckel so komme, wie geplant.
Diese Argumente seien vom früheren Wohnungsbauexperten Jochen Lang, Abteilungsleiter in der Senatskanzlei, offenbar erhört worden, hieß es. Kanzleichef Gaebler, der offenbar „nicht seinen besten Tag gehabt habe“, so die interne Kritik, habe das Eckpunktepapier dann überraschend angehalten. Würde es am Dienstag tatsächlich nur zu einer unverbindlichen „Kenntnisnahme“ des Eckpunktepapiers kommen, warnen Experten, seien Mieterhöhungen bis zum Erlass des geplanten Gesetzes am Jahresende weiterhin möglich. Bei einem Beschluss sind die Mieten ab diesem Dienstag gedeckelt.
Im Laufe des Montags führte der koalitionsinterne Druck, den nicht nur Linke und Grüne, sondern offenbar auch Teile der SPD auf die Senatskanzlei ausübten, zu einer teilweisen Rettung des Eckpunktepapiers für den „Mietendeckel“. Im Senat ist am Dienstag mit einer weiteren heftigen Diskussion zu rechnen.