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Nettozahler. Frankreichs Präsident Macron, Kanzlerin Merkel und Italiens Regierungschef Gentiloni (v.l.n.r.) wollen mehr in die EU-Kasse einzahlen.
© imago/CTK Photo
Update

EU-Gipfel in Brüssel: Merkels Vorschlag zur Flüchtlingspolitik findet geteiltes Echo

Der Vorschlag, die Förderung von strukturschwachen Regionen in der EU mit der Flüchtlingsaufnahme zu verknüpfen, stieß teilweise auf Ablehnung. Auch die Kommission denkt in eine andere Richtung.

Es war gewissermaßen die ganz große Koalition für Europa, die am Freitag unmittelbar vor dem EU-Gipfel zusammenfand. Flankiert von dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, ging Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Journalisten zu, die im Brüsseler Ratsgebäude warteten. Nacheinander gaben der Sozialdemokrat Gentiloni, die CDU-Vorsitzende Merkel und der Sozialliberale Macron eine kurze Erklärung ab – in ihrer jeweiligen Muttersprache. Aber die Fragestellung war für alle drei dieselbe: Wie lässt sich Menschenschmugglern in der Sahelzone das Handwerk legen und wie kann Entwicklung im Norden Afrikas gewährleistet werden?

Mehr Geld für Entwicklung in Sahelstaaten

Zuvor hatten hatten sich Merkel, Macron und Gentiloni bei einer internationalen Geberkonferenz in Brüssel dafür eingesetzt, die Finanzhilfen für die so genannten G-5-Staaten Mali, Niger, Tschad, Mauretanien und Burkina Faso aufzustocken. Die Kanzlerin kündigte an, dass der Beitrag Deutschlands zur Entwicklung in den fünf Sahelstaaten zwischen 2017 und 2020 insgesamt 1,7 Milliarden Euro betragen werde.

Die Entwicklung in der afrikanischen Armutsregion soll letztlich dazu beitragen, dass sich künftig weniger Flüchtlinge in die Hände von Schleppern begeben, um anschließend von Libyen aus nach Italien zu gelangen. Die Flüchtlingspolitik war auch beim Gipfel in Anschluss an die Geberkonferenz indirekt ein Thema, obwohl die Staats- und Regierungschefs eigentlich darüber reden wollten, wie der EU-Haushalt ab dem Jahr 2021 nach dem Brexit zu gestalten ist. Dass die Migration aber trotzdem in den Fokus des Gipfels geriet, hing damit zusammen, dass Merkel am Vortag bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag einen überraschenden Vorstoß unternommen hatte.

Die Kanzlerin hatte vorgeschlagen, die Vergabe von EU-Fördergeldern künftig auch an die Flüchtlingsaufnahme zu knüpfen. Würde dieser Vorschlag verwirklicht, hätten osteuropäische Staaten wegen ihrer Verweigerung bei der Aufnahme von Migranten das Nachsehen. Deutschland würde hingegen profitieren – kein ganz unwichtiger Punkt im anstehenden Haushaltspoker, der mit dem Wegfall der britischen Nettozahler diesmal noch härter werden dürfte als üblich.

Litauens Präsidentin Grybauskaite lehnt Merkels Vorschlag ab

Beim Gipfel fand Merkels Idee ein gemischtes Echo. Dass sich die Spitzenpolitiker aus Osteuropa ablehnend äußern würden, war zu erwarten. So sprach sich Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite kategorisch gegen den Vorschlag aus. Die EU-Mittel aus den Strukturfonds seien laut EU-Vertrag für die Angleichung der Lebensverhältnisse in der Union bestimmt, „und nicht für irgendetwas anderes“, sagte sie. Aber auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel hielt nichts von der Idee, den ungelösten Streit um die Verteilung von Flüchtlingen und die Diskussion um den künftigen Haushalt miteinander zu verknüpfen. „Wer wird nachher bestraft? Nicht die Regierungen, aber die Bürger“, sagte er.

Nach Ende des Gipfels relativierte Merkel ihren Vorstoß: „Länder, die in erhöhtem Maße mit der Aufnahme von Flüchtlingen beschäftigt sind“, könnten durchaus auch finanziell belohnt werden. Ihr Vorschlag könne also nicht nur als Bestrafung verstanden werden, sondern als positiver Anreiz für Länder, die mehr leisten als andere. Sie ließ zudem erkennen, dass sie hinter verschlossenen Türen unter den anderen Staats- und Regierungschefs wenig Rückhalt für die neuen Kriterien bekommen hat.

Auch in der EU-Kommission gehen die Überlegungen in eine andere Richtung als Merkels Vorstoß. Derzeit prüft die Brüsseler Behörde, ob es eine Möglichkeit gibt, die Vergabe von EU-Fördermittel auch an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu koppeln. Die Überlegungen seien aber noch nicht abgeschlossen, hieß es aus Kommissionskreisen. Im Dezember hatte die Kommission wegen der umstrittenen polnischen Justizreform ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages gegen Warschau eingeleitet, das am Ende in einen Entzug des EU-Stimmrechts münden könnte. Allerdings hat Ungarns Regierungschef Viktor Orban bereits sein Veto gegen einen solchen Schritt angekündigt.

Klar ist unterdessen, dass sich der Streit um den künftigen EU-Haushaltsrahmen noch über viele Monate hinziehen wird. So schnell, wie der zuständige Kommissar Günther Oettinger (CDU) sich das vorstellt, wird es jedenfalls nicht gehen. Oettinger drückt aufs Tempo und hofft, dass das Budget der EU für das kommende Jahrzehnt noch vor den Europawahlen im Frühjahr 2019 unter Dach und Fach ist. Das wäre deutlich schneller als beim letzten Mal 2014, als es 29 Monate dauerte. Die Staats- und Regierungschefs werden sich den Zeitplan des deutschen Kommissars jedenfalls nicht zu eigen machen. Nichts deutete am Freitag in Brüssel darauf hin, dass sie sich auf einen Zeitplan verständigen würden.

Merkel, Macron und Gentiloni wollen die Überweisungen erhöhen

Dabei geht es schon mit der banalen Frage los: Mehr oder weniger Geld für Brüssel? Es gibt einen Viererclub unter den Nettozahlern, die mit zugenähten Taschen zum Gipfel anreisten: Der niederländische Regierungschef Mark Rutte, der Österreicher Sebastian Kurz, der Däne Lars Lokke Rasmussen sowie sein schwedischer Kollege Stefan Löfven erklärten einmal mehr, dass es aus ihren Etats nicht mehr Geld für Brüssel geben soll. Österreichs Kanzler Kurz sprach gar von einer Gruppe von fünf Staaten, die eine harte Haltung einnähmen: Auch Finnland gehöre inzwischen dazu.

Auf der anderen Seite stehen die drei Staats- und Regierungschefs, die demonstrativ gemeinsam zum Gipfelort schlenderten. Merkel sagt seit Wochen, dass ihr die EU mehr Geld wert ist. Auch aus dem Umfeld von Macron und Gentiloni hört man, dass sie dabei wären, die Überweisungen zu erhöhen.

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