EU-Gipfel: Merkels Friedensangebot aus Brüssel
Ohne den Streit der Union hätte sich der EU-Gipfel nicht so ausgiebig mit der Flüchtlingspolitik beschäftigt. Nun hängt es von der CSU ab, was sie aus den Brüsseler Ankündigungen macht. Ein Kommentar.
Es geschieht nicht allzu häufig, dass sich 28 europäische Staats- und Regierungschefs eine Nacht um die Ohren schlagen, weil die CSU es so will. Beim EU-Gipfel haben die Christsozialen von Angela Merkel eine „europäische Lösung“ erwartet, die das Zerwürfnis mit der Kanzlerin wieder beenden soll. Zurückgekehrt ist die CDU-Chefin vom Gipfel mit Absichtserklärungen und geplanten Vereinbarungen, die es vielen recht machen sollten – auch der CSU.
Wer allerdings im Lager der bayrischen Schwesterpartei geglaubt haben sollte, der EU-Gipfel werde sich allein damit beschäftigen, dass viele Asylbewerber nach ihrer Ankunft in der EU früher oder später in Deutschland landen, kennt die Europäische Union schlecht. Das Petitum der CSU, bereits anderswo in der EU registrierten Flüchtlingen den Weg nach Deutschland zu versperren, ist nämlich nur eine von vielen widerstreitenden Forderungen in Europa: Italien möchte Migranten abgeben, Ungarn erst gar keine aufnehmen, und alle miteinander wollen den kontrollfreien Grenzverkehr im Schengen-Raum erhalten.
Der größte gemeinsame Nenner liegt dabei in einer verstärkten Abschottungspolitik der EU. Vereinfacht gesagt lautet die Logik der meisten Staats- und Regierungschef so: Gelangen Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa, dann brauchen sich auch die EU-Länder nicht mehr über deren Verteilung zu streiten. Zwar ist die simple Annahme, die EU könnte ihre Außengrenzen komplett dicht machen, ein Irrglaube. Aber im Grundsatz ist der Kurs der EU schon nachvollziehbar. Denn anders als 2015 kommen mehrheitlich nicht mehr Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nach Europa, sondern Menschen, die aus wirtschaftlicher Not hier ein besseres Leben suchen.
EU-Abschottungskurs begann schon 2016
Unter dem Druck der Berliner Regierungskrise hat die EU daher ihren Kurs einer strikteren Sicherung der Außengrenzen bekräftigt, der 2016 mit der Ausbildungshilfe für die libysche Küstenwache begann. Ob die Beschlüsse des EU-Gipfels allerdings tatsächlich ein „umfassendes Migrationskonzept“ darstellen, wie Merkel nach dem Gipfel etwas schönfärberisch erklärte, ist fraglich. So könnte die Errichtung der geplanten Aufnahmezentren in Nordafrika – übrigens die Neuauflage einer Idee des damaligen Innenministers Otto Schily von 2004 – schon daran scheitern, dass Staaten wie Marokko und Tunesien sie ablehnen.
Für die CSU dürfte die Vereinbarung mit Athen und Madrid entscheidend sein
Doch aus der Sicht der CSU ist all dies eher zweitrangig. Für die Christsozialen wird vor allem die Ankündigung der Kanzlerin entscheidend sein, dass Griechenland und Spanien bereits registrierte Asylbewerber wieder zurücknehmen wollen. Wer es in der CSU auf eine Eskalation im Verhältnis mit Merkel anlegt, wird darauf hinweisen, dass die Ankündigung einer demnächst greifenden Vereinbarung mit den beiden EU-Partnern nicht hundertprozentig „wirkungsgleich“ ist mit der sofortigen Zurückweisung auch nur eines einzigen Flüchtlings. Doch das wäre kleinlich angesichts des Fortschritts, den Vereinbarungen mit Athen und Madrid darstellen würden.
Christsoziale müssen sich jetzt entscheiden
Wenn die CSU geglaubt haben sollte, mit ihrer Forderung der „wirkungsgleichen“ Lösung auf EU-Ebene eine Falle für Merkel aufgestellt zu haben, so ist es eher andersherum: Die CSU muss nun intern ihre Position klären. Sie muss politisch entscheiden, ob sie es tatsächlich auf einen Alleingang ankommen lassen will – in jeder Hinsicht.