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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurtz auf dem EU-Gipfel.
© AFP

EU-Gipfel zur Migration: Was Merkel durchgesetzt hat - genug für die CSU?

Die Kanzlerin hat auf dem EU-Gipfel ein Paket gegen illegale Migration durchgesetzt. Was genau wurde beschlossen und reicht das der CSU? Fragen und Antworten zum Thema.

Zehn Stunden verhandelten die Regierungschefs beim EU-Gipfel über schärfere Maßnahmen gegen die illegale Zuwanderung nach Europa. Vor allem Italien machte die Gespräche so schwierig. Premier Guiseppe Conte drohte, die ganze Gipfelerklärung scheitern zu lassen, falls die anderen Länder ihm nicht entgegen kommen. Am Ende ist ein Zwölf-Punkte-Paket herausgekommen, das einschneidende Schritte vorsieht. Vor allem soll der Schutz der EU-Außengrenze verstärkt werden. Ziel ist, möglichst wenig illegale Migration zuzulassen.

Was bringt Merkel nach Hause für den Streit mit der CSU?

Der Gipfel gibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) freie Hand, zwischenstaatliche Vereinbarungen abzuschließen, um die Zuwanderung von bereits registrierten Flüchtlingen nach Deutschland einzudämmen. „Die Mitgliedstaaten sollten dazu alle erforderlichen Rechtsetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen ergreifen und eng bei der Bekämpfung der Binnenmigration zusammen arbeiten“, steht im Gipfeldokument, das alle mittragen.

Reicht das für Merkel, um die CSU wieder einzubinden?

Merkel wirkte nach dem Gipfel erleichtert, enormer Druck war von ihr abgefallen. Doch die Frage nach einem Einschwenken der CSU ist weiter offen, auch weil wichtige CSU-Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Horst Seehofer das Ende des Gipfels abwarten wollen, bevor sie ihn bewerten. Zumindest hat sich die EU in eine Richtung bewegt, in der die CSU die Bundesregierung und sie drängen wollte. Damit kann die CSU den Gipfel von Brüssel als Erfolg ihrer Drohung eines nationalen Alleingangs begrüßen – und genau das taten CSU- Vertreter am Freitag auch.

Der Vizechef der CSU-Landesgruppe, Hans Michelbach, machte aber eine strenge Unterscheidung zwischen den Brüsseler Absichtserklärungen und deren Umsetzung. Der Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik müsse dadurch „unterfüttert werden, dass nationale Handlungen stattfinden“, forderte er. Eine „nationale Handlung“ wäre etwa die von Seehofer angekündigte Zurückweisung von Flüchtlingen, die in anderen EU-Ländern schon registriert sind. Dann müsste Merkel ihn wohl entlassen, die Krise würde eskalieren. Die bayerische Partei muss nun abwägen, ob sie das ungeachtet des Brüsseler Ergebnisses weiter riskieren will. Bleiben die CSU und Seehofer hinter ihrer Ankündigung eines nationalen Alleingangs zurück, stehen sie als Umfaller da – auch keine schöne Rolle kurz vor den Landtagswahlen.

Schafft Deutschland bilaterale Einigungen über die Rückführung von Asylbewerbern?

Wenig ist bekannt über die Gespräche, die dazu am Rande des Gipfels geführt wurden. Aber am Freitagnachmittag gab Regierungssprecher Steffen Seibert bekannt, dass sich Berlin mit Madrid und Athen auf eine Rücknahme von Asylbewerbern geeinigt hat, die bereits in ihren Ländern registriert waren. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz teilte mit, dass Deutschland bei den Gesprächen weit voran gekommen sei. Österreich selbst werde derartige Verträge nicht mit Deutschland abschließen. An der Grenze funktioniere die Zusammenarbeit bereits gut. Es heißt, Frankreich und die Niederlande seien mit Deutschland im Gespräch. Es wird erwartet, dass weitere Ergebnisse am Wochenende bekannt werden. Ob sie der CSU reichen, das wird man dann sehen.

Gibt es neue europäische Lösungen?

Merkel kann hier klar einen Triumph verbuchen. Anders als ihr Widersacher Seehofer hat sie immer auf europäische Lösungen gesetzt. Der Gipfel hat viele neue Maßnahmen beschlossen, die von allen 28 Mitgliedstaaten getragen werden. Bemerkenswert ist, dass also auch die sperrigen Regierungen von Ungarn, den anderen drei Visegrad-Staaten sowie Italien sich hinter die Beschlüsse stellen.

Welchen Preis musste Merkel dafür bezahlen?

Der Preis dafür ist hoch: Deutschland hat immer darauf bestanden, dass alle 28 EU-Länder sich an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen müssen. Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen sind aber erst einmal vom Tisch, das Wort Solidarität taucht in dem Gipfeldokument nur im Zusammenhang mit freiwillig auf. Andrej Babis, der rechtskonservative Regierungschef Tschechiens, triumphiert auf Twitter: „Wir haben erreicht, dass niemand mehr über Quoten redet.“ Niemand wolle Prag mehr „Flüchtlinge aufzwingen“. Ganz vom Tisch ist das Thema aber nicht: Beim nächsten Gipfel im Oktober soll wieder darüber berichtet werden.

Welche Lager plant die EU außerhalb?

Es geht um Zuwanderer, die illegal nach Europa kommen wollen. Für diese Personengruppe strebt der Gipfel Lager an, in denen schnell zwischen Wirtschaftsmigranten, die keine Chance auf Asyl haben, und möglicherweise politisch Verfolgten unterschieden werden. Es sind zwei Arten von Lagern im Gespräch: Zum einen soll es Zentren, im EU-Jargon „Ausschiffungszentren“, irgendwo in Nordafrika geben. Dort sollen Menschen hingebracht werden, die bei der Überfahrt übers Mittelmeer gestoppt wurden und noch nicht in EU-Hoheitsgewässern waren. Die Zentren sollen in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betrieben werden. Strategisches Ziel: Es soll sich unter Zuwanderern herum sprechen, dass sich die gefährliche und teure Überfahrt nicht lohnt, weil Menschen aus sicheren Herkunftsländern gar nicht erst nach Europa gelangen. Bislang gibt es jedoch noch kein Land außerhalb der EU, das sich zur Einrichtung eines derartigen Lagers bereit erklärt hätte.

Welche Lager sind innerhalb der EU geplant?

Hier soll das gleiche passieren: Es soll schnell geklärt werden, ob Aussicht auf internationalen Schutz besteht. Kein Land soll dazu verpflichtet werden, sie einzurichten. Griechenland und Italien sollen aber bereits Interesse bekundet haben. Die Aufnahme in diesen „kontrollierten Zentren“ heißt nicht, dass Menschen mit Anspruch auf Asyl auch in dem Land bleiben müssen. Sie können umverteilt werden.

Wie soll der Grenzschutz verstärkt werden?

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll schneller als geplant, nämlich bis 2020 auf 10.000 Mann aufgestockt werden. Die libysche Küstenwache und Italien sollen bei der Überwachung der zentralen Mittelmeerroute unterstützt werden. Außerdem will die EU nach dem Muster des Türkei-Deals Abkommen mit weiteren Transitländern rund ums Mittelmeer schließen. Sie sollen Geld dafür bekommen, dass sie illegale Grenzübertritte unterbinden und illegal eingereiste Migranten zurück nehmen. Spanien ist hier im Gespräch mit Marokko. Die EU würde Deals finanziell unterstützen.

Müssen Hilfsorganisationen mit Einschränkungen rechnen?

Ihre Arbeit wird stärker kontrolliert. Den EU- Staaten werden mehr Möglichkeiten gegeben, sie zu überwachen. Auf Druck von Malta steht nun in der Gipfelerklärung: „Alle im Mittelmeer verkehrenden Schiffe müssen geltendes Recht befolgen und dürfen die Einsätze der libyschen Küstenwache nicht stören.“

Wie viel Geld macht die EU locker?

Der Gipfel macht den Weg frei für die zweite Tranche von drei Milliarden Euro für die Türkei. Damit bekennt sich die EU zum Abkommen mit der Türkei, die seit 2016 illegale Migration in der Ägäis erfolgreich unterbindet. Außerdem sollen 500 Millionen Euro zusätzlich an den EU-Treuhandfonds für Afrika gehen. Die Lebensbedingungen auf dem Nachbarkontinent sollen verbessert werden.

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