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Der Kohlendioxidausstoß steigt weltweit weiter – deshalb dürfte eine Rettung der Korallenriffe als Ökosystem nicht mehr möglich sein.
© dpa

UN-Umweltgipfel: Merkels Absage an die kommende Weltmacht

Ex-Minister Töpfer appelliert an Merkel, ihr Fernbleiben vom Gipfel in Brasilien noch einmal zu überdenken.

Klaus Töpfer sagt aus Erfahrung: „Manche, die jetzt noch meinen, sie würden nicht nach Rio fliegen, werden es am Ende doch machen.“ Der frühere Umweltminister, der 1992 die deutsche Delegation beim ersten Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio des Janeiro geleitet hat, erinnert sich noch gut, „dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl auch nicht von Anfang an überzeugt war, dass er in Brasilien dabei sein müsste“. Am Ende ist er dann doch geflogen. Und François Mitterrand kam für einen Tag mit der Concorde gejettet, um dabei zu sein, als in Rio Geschichte gemacht wurde.

Die damals verabschiedeten Prinzipien des Erdgipfels von Rio – vom Vorsorgeprinzip über das Recht auf Entwicklung bis hin zu der Erkenntnis einer „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ – die wären, zeigt sich Töpfer überzeugt, „heute nicht mehr durchzubringen“.

Am Mittwoch kritisierte Töpfer in einer Diskussion des ZDF bei der „Woche der Umwelt“ im Park des Schlosses Bellevue scharf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Gipfel vom 20. bis 22. Juni abgesagt hat. Er appellierte an die deutsche Regierungschefin, „diese Entscheidung noch einmal zu überdenken“. Denn Töpfer findet, „das hätte sie nicht so machen müssen. Sie hätte das noch offen lassen können.“ In Regierungskreisen heißt es, Merkel habe der brasilianischen Präsidentin mit dem Hinweis auf ihren großen Termindruck abgesagt. Doch der frühere Umweltminister meint: „Brasilien, einer kommenden Weltmacht, zu sagen, zu euch komme ich nicht, das hätte ich mir noch zusätzlich überlegt.“

Der grüne Klimaexperte Hermann Ott bedauert die Absage der Kanzlerin ebenfalls. „Das ist ein ganz schlechtes Signal“, sagt er. Durch ihre Absage „besteht die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, sie habe die Konferenz schon aufgegeben“. Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber formuliert das noch schärfer: „Wenn Merkel nicht kommt, weil der Erfolg nicht sicher ist, ist das ein Fehler.“ Denn ein solcher Gipfel könne nur zum Erfolg werden, „wenn die Regierungschefs großer Länder dabei sind“.

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Die Verhandlungsdynamik des nunmehr dritten Weltgipfels nach Rio 1992 und Johannesburg 2002 ist kaum vorhersehbar. Zwar ist die Verhandlungslage kompliziert. Aber es ist keineswegs sicher, dass gar nichts bei dem Treffen herauskommt. Das Hauptthema widmet sich der Frage, wie eine umweltverträgliche Wirtschaftsweise ins Werk gesetzt werden und wie wirtschaftliche Entwicklung mit einer möglichst geringen Umweltzerstörung bewerkstelligt werden kann – dies ist keineswegs ein Selbstläufer. Aber es gibt gerade zahlreiche Entwicklungsländer, die in einer grüneren Wirtschaft große Wettbewerbsvorteile erkennen.

Das zweite Themenfeld widmet sich der Aufgabe, die Umwelt- und die Nachhaltigkeitsinstitutionen innerhalb der Vereinten Nationen zu stärken. Dafür standen die Chancen nie besser. Aus dem UN-Umweltprogramm (Unep), das 1972 nach dem Stockholmer Umweltgipfel gegründet wurde, könnte 40 Jahre später eine eigenständige UN-Organisation werden. Außerdem haben Kolumbien und Brasilien den Vorschlag vorgelegt, bis zum Jahr 2015 etwa zehn weltweit gültige nachhaltige Entwicklungsziele zu entwerfen, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG). Dafür gibt es viel Zustimmung.

Mit leeren Händen müsste Merkel vermutlich nicht abreisen, falls sie sich doch noch zu einer Teilnahme entschließen sollte. Zudem könnte sie als Kanzlerin der Energiewende beträchtlichen Einfluss auf den Verhandlungsverlauf nehmen.

Wie dringend Veränderungen sind, hat das UN-Umweltprogramm Unep am Mittwoch in Rio mit dem nunmehr fünften globalen Umweltausblick deutlich gemacht. Obwohl es weltweit mehr als 500 international vereinbarte Umweltziele gibt, hat Unep lediglich in vier Fällen echte Fortschritte festgestellt: Benzin wird inzwischen fast nirgendwo mehr mit Blei angereichert, die chemischen Substanzen, die die Ozonschicht in der Atmosphäre zerstören, werden kaum noch produziert, seit das Montreal-Protokoll in Kraft getreten ist.

Außerdem ist die Zahl der Menschen, die über sauberes Trinkwasser verfügen, deutlich gestiegen, und die Forschung gegen die Meeresverschmutzung wurde verstärkt. Aber bei anderen Umweltzielen gab es keinen Fortschritt: Klimawandel, Überfischung der Meere, Wüstenbildung und Dürre. Die Folgen sind dabei verheerend – die Zahl der Überschwemmungen ist weltweit zwischen den 1980er Jahren und 2000 um 230 Prozent gestiegen, die Zahl der Dürren um 38 Prozent.

Besonders dramatisch hat sich der Zustand der Korallenriffe verschlechtert. Angesichts des weiter steigenden Kohlendioxidausstoßes und der dadurch verursachten weiteren Versauerung der Meere ist eine Rettung der Korallenriffe als Ökosystem wohl bereits nicht mehr möglich. Schon bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts – also jene Zielmarke, auf die sich die Weltgemeinschaft verständigt hat – sind die Korallenriffe nicht mehr überlebensfähig.

Unep-Chef Achim Steiner wies darauf hin, dass die „Erdsysteme an ihre bio-physikalischen Grenzen stoßen“. Der Rio- Gipfel wäre der richtige Ort, über die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu verhandeln.

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