Griechenland-Hilfen: Altkanzler Helmut Kohl ruft Euro-Skeptiker zur Ordnung
Nachdem die Koalition die Kanzlermehrheit bei der Abstimmung zum zweiten Griechenland-Hilfspaket verfehlt hat, meldet sich Altkanzler Kohl zu Wort. Auf Twitter bezeichnet Peter Altmaier (CDU) seine Koalition als stabil.
Altkanzler Helmut Kohl (CDU) hat in der Debatte um weitere Hilfen für Griechenland gemahnt, das Ziel des geeinten Europas nicht infrage zu stellen. "Wir müssen die Krise als Chance nutzen. Wir brauchen - gerade jetzt - mehr und nicht weniger Europa", schrieb er in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung. Es sei nach zwei schrecklichen Weltkriegen die Erkenntnis gewesen, nur das geeinte Europa werde die Chance auf dauerhaften Frieden und Freiheit eröffnen. "Die bösen Geister der Vergangenheit sind keineswegs gebannt, sie können immer wieder zurückkommen. Das heißt: Europa bleibt eine Frage von Krieg und Frieden und der Friedensgedanke also das Bewegungsgesetz der europäischen Integration." Die aktuelle Diskussion in Europa und die krisenhafte Lage in Griechenland dürften nicht dazu führen, "dass wir das Ziel des geeinten Europas aus den Augen verlieren oder gar infrage stellen und zurückweichen". Zugleich warnte der Altkanzler vor Kleinmut: "Wir haben allen Grund zu Optimismus, dass wir, dass unser Europa auch aus der gegenwärtigen Krise gestärkt hervorgeht - wenn wir es nur wollen."
Koalitionspolitiker versuchen unterdessen das Verfehlen der Kanzlermehrheit bei der Abstimmung zum zweiten Hilfspaket für Griechenland zu relativieren. „Wir haben eine stabile Koalition, die bis 2013 gemeinsam Politik machen wird“, sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Die Koalition stehe zusammen und sei entschlossen, zusammen zu bleiben. Auf Twitter wehrte sich Altmaier gegen den Vorwurf des Grünen Volker Beck, dass die Kanzlermehrheit auch verfehlt worden wäre, wenn die abwesenden Abgeordneten der Koalition mit Ja gestimmt hätten. Altmaier antwortete: "Ich sage schon seit Monaten, dass wir Kanzlermehrheiten nur dann brauchen, wenn Kanzler gewählt werden."
Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht das ganze gelassen. "Es gab eine Regierungsmehrheit und keine Kanzlermehrheit, und die Regierungsmehrheit ist das, was zählt", sagte Westerwelle am Dienstag im Deutschlandfunk. Wenn 496 von 591 abstimmenden Abgeordneten dem Kurs der Bundesregierung zustimmten, dann sei dies ein Hort der Stabilität. "Alles andere ist oppositionelles Wunschdenken", sagte Westerwelle weiter.
Das sind die Abweichler der Koalition:
Auch FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sieht kein Problem. "Ich finde es gut, dass wir nicht stromlinienförmig sind, aber trotzdem die Ergebnisse erreichen, die wir müssen", sagte Fricke am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Die Koalition gehe mit der Griechenland-Frage etwas kritischer um als die Opposition.
Der Bundestag hatte am Montag das zweite Rettungspaket für Griechenland mit großer Mehrheit gebilligt. Schwarz-Gelb hatte dabei zwar eine eigene Mehrheit, verfehlte aber die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit. Diese liegt eine Stimme über der Häfte der Sitze im Bundestag - unabhängig von der Zahl der tatsächlich abstimmenden Abgeordneten.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun aufgefordert, bei der nächsten Euro-Abstimmung im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Nach dem Verfehlen der Kanzlermehrheit beim Votum über das zweite Griechenland-Paket müsse Merkel nachweisen, dass ihre schwarz-gelbe Koalition noch hinter ihr stehe, sagte Trittin der "Frankfurter Rundschau". "Angela Merkel hat in einer zentralen Frage, nämlich der Griechenland-Hilfe und der Rettung des Euro, keine eigene Mehrheit mehr", sagte Trittin. "Das ist eine schwere Niederlage für Angela Merkel." Er sei überzeugt, "dass sie bei den Abstimmungen über das Vertragswerk für den Europäischen Stabilisierungsmechanismus oder den Fiskalpakt die Vertrauensfrage stellen muss."
Die SPD wiederum rief Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zu entlassen. Man könne als Bundeskanzlerin keinen Minister im Kabinett behalten, der so gegen die Kabinettsdisziplin verstoße, sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, dem "Hamburger Abendblatt". Dabei verwies er auch auf die verfehlte Kanzlermehrheit, für die der Sozialdemokrat Friedrich mitverantwortlich machte: "Wenn ein Minister nicht steht, steht auch die Fraktion nicht." Friedrich hatte am Wochenende im "Spiegel" Griechenland einen Austritt aus der Euro-Zone nahe gelegt. (dapd/dpa/Reuters)