Diesel-Affäre: Merkel will Auto-Krise zur Chefsache machen
Die Kanzlerin möchte den nächsten Diesel-Gipfel führen – nach der Wahl. Herausforderer Martin Schulz sagt: Sie hat keinen Plan für die Branche.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich um Lösungen in der Automobil- und Diesel-Krise in Zukunft selbst kümmern. Im Gegensatz zum ersten Treffen von Politik und Autoindustrie vor zwei Wochen werde sie den nächsten Gipfel im Herbst führen, kündigte die CDU-Chefin am Montag in Berlin an. „Da werde ich dabei sein, als Bundeskanzlerin“, sagte sie in einem Gespräch mit dem Sender Phoenix und dem Deutschlandfunk.
Noch vor der Bundestagswahl will Merkel außerdem die von Luftverschmutzung am stärksten betroffenen Kommunen einladen, um mit ihnen über Maßnahmen zum flächendeckenden Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos und moderne Verkehrssyteme zu sprechen. Beim Diesel-Gipfel war ein 500-Millionen-Euro-Fonds für Investitionen in moderne Verkehrssysteme verabredet worden, den die Autokonzerne und der Bund speisen sollen. Offen zeigte sich die Kanzlerin auch für die gesetzliche Regelung von sogenannten Musterfeststellungsklagen, die Verbrauchern die Möglichkeit geben sollen, die Autoindustrie für Schäden aus der Diesel-Affäre zu belangen. Darum würden sich die Rechtsexperten der Union kümmern, sagte Merkel.
Zugleich sprach sie sich für ein Verbot neuer Dieselautos auf lange Sicht aus. „Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig“, sagte Merkel im Interview mit der „Super-Illu“ mit Blick auf die geplanten Verbote von Neuzulassungen bei Dieselfahrzeugen in anderen europäischen Ländern. Eine kurzfristige Abschaffung des Steuervorteils für Dieselfahrzeuge lehnte Merkel indes ab.
900.000 Arbeitsplätze
Ende vergangener Woche hatte Merkels Herausforderer im Wahlkampf, SPD- Chef Martin Schulz, einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt und für den Fall eines Wahlsiegs die Einführung einer europaweiten Elektroauto-Quote angekündigt. Eine solche Quote lehnte Merkel ab, weil damit andere Antriebstechnologien benachteiligt würden. Schulz warf Merkel am Montag Konzeptionslosigkeit in der Auto-Krise vor: „Am Wochenende hat sie eine Quote für Elektroautos abgelehnt, heute fordert sie ein Diesel-Verbot. Frau Merkel hat für die deutsche Automobilindustrie keinen Plan.“ Mit ihrer Äußerung verunsichere die Kanzlerin die betroffenen Diesel-Fahrer. Diese bräuchten jetzt die Sicherheit, dass der Staat ihnen helfe, den Schaden zu begrenzen, der von verantwortungslosen Automanagern angerichtet worden sei.
Auch Merkel mahnte die Autoindustrie erneut, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Es sei richtig, dass die Unternehmen Softwareupdates für die betroffenen Dieselfahrzeuge und Kaufprämien für schadstoffärmere Fahrzeuge zur Verfügung stellten. Ob das aber ausreiche, werde geprüft. Gleichzeitig warnte sie davor, die Bedeutung der Autoindustrie zu vernachlässigen. Die rund 900.000 betroffenen Arbeitsplätze „dürfen wir nicht aufs Spiel setzen“, sagte sie. Dazu sei es nötig, dass die Autokonzerne „die Zeichen der Zeit erkennen“ und in moderne Technologien investierten. Am Ende dürfte „nicht von den Falschen die Zeche bezahlt werden“.
Antje Sirleschtov, Stephan Haselberger