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Jean-Claude Juncker ist der Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten und findet breite Unterstützung. Eigentlich.
© Reuters

EU-Kommissionspräsident: Merkel wendet sich von Juncker ab - kommt jetzt Tusk?

Bundeskanzlerin Angela Merkel will offenbar den EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker nicht als Kommissionspräsidenten unterstützen. Schon vor der Wahl hatte sie sich von ihm distanziert. Sie traut ihm die Aufgabe offenkundig nicht zu.

In der Berliner Koalition droht ein tiefgehender Streit im Nachgang zur Europawahl. Anlass ist die erkennbare Weigerung der Bundeskanzlerin, den von ihr "akzeptierten" Spitzenkandidaten der EVP, Jean-Claude Juncker, auch wirklich als kommenden Kommissionspräsidenten zu unterstützen. Mit Verwunderung und Empörung ist im Europaparlament aufgenommen worden, dass Angela Merkel sich trotz des Votums aller Fraktionen des Parlaments nicht an Junckers Seite stellt.

Sie wollte noch nicht einmal zulassen, dass der Luxemburger Verhandlungen führt. Vielmehr erklärte sie im Europäischen Rat nach Tagesspiegel-Informationen offen, dass sie den britischen Premier David Cameron und andere unterstützen werde, sollten diese eine blockierende Minderheit zustande bringen. Dahinter steht einerseits die auch immer wieder von der Kanzlerin erklärte Ansicht, ein Europa ohne und gegen die Briten sei nicht vorstellbar, andererseits aber auch Merkels kaum verhüllte Ablehnung von Juncker. Sie traut ihm offenkundig nicht - mehr - zu, die kräfteraubende Aufgabe eines Kommissionspräsidenten zwischen Parlament und Rat zu bewältigen.

Gabriel hatte vor einem Wortbruch Merkels gewarnt

Merkel hatte ihn vor der Wahl eher notgedrungen akzeptiert und auch im Wahlkampf ihre Distanz deutlich gemacht. Plakate gab es nur von ihr und David McAllister als dem deutschen Spitzenkandidaten, aber keines von Juncker mit ihr. In der Bundesregierung wird nun genau beobachtet, wie der Brite Cameron vorgeht und Merkel ihm Rückendeckung gibt. Teile auch der EVP, der politischen Parteienfamilie der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden, bezeichnen den Vorgang als unglaublich. Es werde noch zu einer Debatte um das Demokratiedefizit in Europa kommen müssen.

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte bereits vor der Europawahl vor einem Wortbruch Merkels gewarnt und nach der Wahl die Unterstützung für Juncker erklärt, indem er ihm die Chance geben wollte, im Europaparlament eine Mehrheit für sich zu schaffen. Das ist gelungen, sämtliche Fraktionen einschließlich der Sozialdemokraten erteilten ihm das Recht das ersten Zugriffs. Dem steht nun die Koalition Cameron-Merkel entgegen. In zurückliegender Zeit war immer wieder einmal spekuliert worden, es könne ein ganz anderer als der Spitzenkandidat die Leitung Kommission übernehmen. Genannt wurde unter anderen Polens Premier Donald Tusk, den sowohl Merkel als auch Cameron schätzen.

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