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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (l.) und Italiens Premierminister Paolo Gentiloni am Donnerstag in Rom.
© Andreas Solaro/AFP

EU-Reformen: Merkel sondiert, Macron führt an

Während die Bundeskanzlerin noch mit der Regierungsbildung beschäftigt ist, wird Frankreichs Präsident zur neuen europäischen Führungsfigur.

Man kann nur darüber spekulieren, wie Angela Merkel in diesen Tagen international auftreten würde, wenn der geschäftsführenden Bundeskanzlerin noch im alten Jahr eine Regierungsbildung gelungen wäre. Von Emmanuel Macron ist derweil bekannt, was er gerade macht. Zu Beginn der Woche absolvierte Frankreichs Staatschef noch seinen ersten Staatsbesuch in China. Kaum war er zurückgekehrt, ging es für ihn am Mittwochabend zum Gipfel der südeuropäischen Länder in Rom. Nach den Worten von Macron bestand das Ziel des Gipfels der so genannten Med7-Länder darin, die „sehr große Übereinstimmung der Standpunkte“ unter den südeuropäischen Staaten bei der Einwanderungspolitik und der Reform der EU herauszustellen.

Macron hält Merkel für seine wichtigste Bündnispartnerin

Während Merkel mit der Regierungsbildung beschäftigt ist, spricht Macron mit den Spitzenvertretern Italiens, Spaniens, Portugals, Griechenlands, Zyperns und Maltas. Auf den ersten Blick erinnert die Situation an die ersten Amtsmonate von Macrons Vorgänger François Hollande, der anfangs im Verein mit den südeuropäischen Staaten eine Phalanx gegen den Sparkurs in der EU aufbauen wollte. Im Fall Macrons liegen die Dinge aber etwas anders: Frankreichs Präsident hat seit seiner Amtsübernahme im Frühjahr des vergangenen Jahres klar gemacht, dass er Merkel für die entscheidende Bündnispartnerin hält, wenn es um mögliche Reformen in der EU und – was Macron bevorzugt – in der Euro-Zone geht.

Das ändert aber nichts daran, dass der Hausherr im Pariser Elysée-Palast derzeit wegen der politischen Hängepartie in Deutschland zwangsläufig vielfach als neue Führungsfigur in Europa wahrgenommen wird. Die Straßburger Zeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace" urteilte in einem Kommentar, dass Merkel „bei den großen europäischen und weltweiten Entwicklungen“ hinterherhinke. Macron, „der seinen politischen Sinn ständig schärft, springt in die Bresche“, schrieb das Blatt.

Im Fall der europäischen Flüchtlingspolitik hieß in der Abschlusserklärung der südeuropäischen Staaten im Rom, dass die EU ihren Kampf gegen Schlepper intensivieren müsse. Zwar sind die Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr in Italien und Griechenland gesunken, in Spanien sind sie allerdings angestiegen. Macron forderte mehr Solidarität unter den EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die „Unzulänglichkeiten“ des so genannten Dublin-Systems müssten sehr schnell behoben werden, verlangte er. Das bestehende Dublin-System bürdet Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien, in denen Migranten zuerst den Boden der EU betreten, die Hauptlast bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf.

Südeuropäer für zusätzlichen Finanztopf

Mit Blick auf die Euro-Zone sprachen sich die Med7-Länder für eine Fiskalkapazität aus, mit deren Hilfe Investitionen gefördert und plötzliche Konjunktureinbrüche abgefedert werden könnten. Dies ist ganz im Sinne Macrons, der zuvor ein eigenes Budget für die Euro-Zone gefordert hatte.

Zustimmung fand bei den Südländern auch Macrons Idee, dass die EU-Bürger bei der Europawahl im kommenden Jahr nicht nur den herkömmlichen nationalen Parteien ihre Stimmen geben können, sondern auch transnationalen Listen. Dies sind Listen, bei denen Politiker aus verschiedenen EU-Staaten mit einer ähnlichen politischen Ausrichtung antreten. Theoretisch könnte dies bedeuten, dass sich Macrons Regierungspartei „La République en Marche“ zur Bestückung einer solchen Liste unter den Parteien in der EU Bündnispartner sucht.

Allerdings stehen die Diskussionen bei der Regierungspartei „La République en Marche“ zu diesem Thema erst ganz am Anfang. Dies liegt daran, dass sämtliche EU-Staaten – und nicht nur die Südländer – einen Beschluss über die Einführung transnationaler zur Europawahl fassen müssten. Ob es so kommt, ist offen. Europas konservative Parteienfamilie, die Europäische Volkspartei (EVP), steht dem Projekt skeptisch gegenüber.

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