Integrationsgipfel debattiert über Hanau: Merkel macht Kampf gegen Rassismus zur Chefinnensachesache
Mit einem Kabinettsausschuss zu Rassismus reagiert die Bundesregierung auf die Morde von Hanau. Migrantenorganisationen hatten dies gefordert.
Anderthalb Wochen nach den rassistischen Morden in Hanau hat die Bundesregierung erklärt, dass sie das Thema Rassismus und Rechtsextremismus dauerhaft ins Kabinett holen will. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte am Montag nach dem Integrationsgipfel im Kanzleramt die Einrichtung eines Kabinettsausschusses an, der Maßnahmen beschließen soll.
Damit kommt sie einer Hauptforderung von Migrantenverbänden nach, die auf die Einrichtung ähnlich der des Klimakabinetts gedrängt hatten, um über kurzfristige Aktionen hinauszukommen. Merkel wandte sich gegen das Denken in Wir und Ihr: "Wir sind eine Gesellschaft."
Es sei klar, dass man "noch mehr tun müsse" und mit dem, was bisher zum Schutz Betroffener geschehe, "überhaupt nicht zufrieden sein" könne. Sicherheit sei die Voraussetzung dafür, dass die Würde des Menschen geachtet werde. Was zu tun sei, werde man in den kommenden Monaten intensiv beraten.
Migranten: Noch wenig Konkretes
Der regelmäßige Gipfel, bei dem es eigentlich um den Nationalen Integrationsplan gehen sollte, stand stark unter dem Eindruck von Hanau. Eine erste Konsequenz war ein Treffen der Kanzlerin, des Bundesinnenministers und der Integrationsbeauftragten mit den Verbänden vor dem eigentlichen Gipfel.
Die waren nach Tagesspiegel-Informationen anschließend jedoch zunächst enttäuscht und vermissten konkrete Zusagen. „Es wurde uns versichert, es gebe kein Weiter-so, man habe verstanden. Aber im Grunde ist schon der Umstand, dass Hanau aus dem Gipfel ausgekoppelt wird, ein Zeichen, dass es bleibt wie bisher“, hieß es aus dem Kreis der Teilnehmer. Erst werde über Hanau gesprochen und dann wieder darüber, was Migranten zu leisten hätten.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) habe zwar versprochen, die Sicherheitsbehörden nicht nur zu verstärken, sondern auch ein Auge darauf zu haben, dass Strukturen und Personen im Sinne des Grundgesetzes funktionierten. „Aber das haben wir auch bisher nicht gesehen.“
Auf die Frage, welchen Sinn aktuell überhaupt noch Veranstaltungen hätten, für die Integration das Vordringlichste seien, habe die Regierungsseite lediglich in Aussicht gestellt, womöglich den Titel zu verändern. Die Verbände hatten nach Hanau moniert, wenn jetzt schon Migranten noch vor der Reise Integrationsanstrengungen abgefordert würden, aber im Land selbst nichts zum Schutz von Minderheiten getan werde, führe das grundsätzlich in die falsche Richtung.
"Antidiskriminierungsgesetz reformieren"
Vor dem Gipfel hatte am Montag auch die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes „ein entschiedeneres Vorgehen gegen rassistische Diskriminierung“ angemahnt.
Der kommissarische Leiter der ADS Bernhard Franke – die kleine Behörde ist seit fast zwei Jahren ohne reguläre Leitung – mahnte vor allem eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes an. Sie sei „überfällig“. Das Gesetz könne viele Betroffene nicht ausreichend schützen. Im offiziellen Programm des Integrationsgipfels stand am Montag vor allem der „Nationalen Aktionsplan Integration".
Der Punkt „Vor der Zuwanderung: Erwartungen steuern – Orientierung geben“ leitet nach den Worten der Staatsministerin für Integration Annette Widmann-Mauz (CDU) einen „Paradigmenwechsel“ ein: Erst mal werde man bereits in den Herkunftsländern von Migranten systematisch damit beginnen, sie auf das Leben in Deutschland vorzubereiten. Das werde auch für das am 1. März in Kraft getretene Fachkräfte-Einwanderungsgesetz entscheidend, mit dem Deutschland seinen Fachkräftemangel mildern will.