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Parteienforscher Gerd Langguth sieht in Angela Merkel das einzig verbliebene Alleinstellungsmerkmal der CDU.
© Reuters

Parteienforscher Gerd Langguth: "Merkel ist das einzige Alleinstellungsmerkmal der CDU"

Parteienforscher Gerd Langguth spricht im Interview mit Tagesspiegel Online über die nächste Kehrtwende der Bundeskanzlerin, Kommunikationsfehler und darüber, dass Homosexualität selbst in der CDU kein Tabuthema mehr ist.

Wehrpflicht, Atomenergie, Hauptschule: Kann sich die CDU nun mit der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften noch eine Kehrtwende leisten?

Ja, das kann sie. Homosexualität ist auch in der CDU kein absolutes Tabuthema mehr. Es gibt viele bekennende Homosexuelle in der CDU. Außerdem ist die CDU eine staatstragende Partei, die großen Wert auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts legt.

Wenn das so ist, dann hätte sie die Wende schon auf ihrem Parteitag im Dezember vollziehen können. Auch da gab es schon Homosexuelle in der CDU und Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Warum hat sie die Wende nicht vollzogen?

Da glaubte man noch, weitere Urteile abwarten zu können. Außerdem hat dieser Parteitagsbeschluss den Vorteil, dass man zeigen kann: Eigentlich denkt die CDU anders aber das Bundesverfassungsgericht zwingt uns zum Umdenken.

Also ist das kluge Kommunikation?

Nein. Die Kehrtwende beim Thema Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften ist nicht klug kommuniziert. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Denn bei aller Annäherung an das Thema, es bleibt ein sensibles. Das hängt mit der Nähe der Union zu den christlichen Kirchen zusammen, insbesondere zur katholischen. Es geht hier zudem um das Familienbild, und Familie ist für die Union die Keimzelle des Staates.

Inwiefern unterscheidet sich diese Wende von den anderen?

Jede Wende war im Prinzip anders und von anderen Faktoren bestimmt. Hier spielt das Bundesverfassungsgericht eine ausschlaggebende Rolle.

Wie nachhaltig ist die Kritik der CSU und der Konservativen in der CDU an dem Schwenk?

Die Kritik ist schon nachhaltig, und man wird den Schwenk nicht vergessen, aber die Aufregung wird verrauchen. Der Umgang mit Homosexualität wird auch in bürgerlichen Kreisen immer „normaler“.

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Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth lehrt an der Universiät Bonn.
© promo

Warum schluckt die CDU-Basis das alles, ist das dem Pragmatismus der Macht geschuldet?

Es ist für eine so bürgerliche Partei wie die CDU einfach untypisch, dass sie wenige Monate vor der Wahl putscht. Der Basis geht es vor allem darum, dass ihre Partei an der Macht bleibt. Danach sieht es den Umfragen zufolge im Moment aus, und deshalb ist für sie auch alles in Ordnung.

Was macht diese entkernte CDU, wenn Angela Merkel einmal nicht mehr an der Spitze steht?

Dann muss sie sich ein neues Programm geben. Denn natürlich braucht auch die CDU ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen Parteien. Und im Moment heißt das Alleinstellungsmerkmal: Angela Merkel.

Ist es nicht gefährlich, wenn die CDU den rechten Rand in ihrem Spektrum links liegen lässt.

In der Tat. Es ist gefährlich, wenn die CDU den rechten Rand ignoriert. Aber, das ist ja wie gesagt das Spezifische an dem Thema, sie kann es sich nicht aussuchen, weil das Bundesverfassungsgericht ihr und der CDU keine andere Wahl lässt.

Steigert das die Gefahr, dass sich eine rechtspopulistische Partei in Deutschland etablieren könnte?

Es gibt bisher keinerlei Anzeichen dafür. Jeder Versuch, eine solche Partei zu etablieren, ist gescheitert. Es fehlt an bekannten Rechtspopulisten, und unsere Geschichte steht ebenfalls davor. Insofern sehe ich die Gefahr derzeit nicht.

Gerd Langguth ist Parteienforscher an der Universität Bonn und Merkel-Biograf. Mit ihm sprach Christian Tretbar.

Christian Tretbar

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