Gleichstellung homosexueller Paare: Union auf Kurswechsel?
Die Kritiker der Homo-Ehe in der Union treibt die Sorge um, dass die Kernwählerschaft davon läuft. Aber in der Partei macht sich die Erkenntnis breit, dass die eigene Position nicht mehr zu halten ist. Einige wollen jetzt sogar den großen Wurf. Und selbst auf die CSU werden die Gegner wohl nicht bauen können.
Im Dezember war es schon knapp. Auf dem Bundesparteitag der CDU votierte zwar eine Mehrheit dafür, homosexuelle Lebenspartnerschaften steuerlich nicht gleichzustellen. Aber es gab nach einer intensiven Debatte auch zahlreiche Gegenstimmen. Und schon damals war vielen klar, dass die Macht des Faktischen wieder zuschlagen könnte.
Am vergangenen Dienstag war es dann erneut so weit. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte homosexueller Paare wieder gestärkt. Es ging um einen speziellen Fall im Adoptionsrecht, wonach Homosexuelle in eingetragenen Lebenspartnerschaften Adoptivkinder ihres Partners oder ihrer Partnerin ebenfalls adoptieren können. Der Fall hat den CDU-Verantwortlichen wohl gezeigt, dass sie, wenn sie weiter auf ihrem Nein zur Gleichstellung beharren, demnächst in dieser gesellschaftspolitischen Frage von Karlsruhe weiter vorgeführt werden. Und kurz vor der Bundestagswahl steht erneut eine wegweisende Entscheidung in Sachen Gleichstellung an, dann zum Ehegattensplitting.
Die Union sieht sich also unter Zugzwang. Und allem Anschein nach hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, lieber freiwillig zu handeln, statt von Karlsruhe gezwungen zu werden. Auch Volker Kauder, Fraktionschef und eigentlich ein Gegner der Gleichstellung, ist es leid, ständig von Karlsruhe gegängelt zu werden. Er mag ein Hardliner in Fragen der Gleichstellung sein, aber er ist kein Hasardeur und folgt der pragmatischen Devise: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Deshalb haben führende CDU-Politiker den raschen Kurswechsel angekündigt. Kauder gehört dazu.
Und Eile könnte ein guter Ratgeber sein. Will die Union verhindern, dass sich die Debatte bis in die heiße Wahlkampfphase zieht, muss sie jetzt handeln. Bereits in dieser Woche wird das weitere Vorgehen in den Fraktions- und Parteigremien besprochen. Nun steht nicht mehr das Ob, sondern das Wie im Mittelpunkt. Soll man das Ehegattensplitting eins zu eins anpassen oder es gleich ganz abschaffen? CDU-Vize Thomas Strobl ist für eine Reform. „Vielleicht gelingt uns ja ein richtig großer Wurf, indem wir nicht nur die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften anstreben, sondern gleich eine Reform des Ehegattensplittings in Richtung Familiensplitting angehen, was vor allem Paaren mit Kindern nutzt“, sagte er dem Tagesspiegel.
Jetzt die Gleichstellung umzusetzen, hat für die CDU einige taktische Vorteile. Es ist noch genug Zeit bis zur Bundestagswahl, man nimmt dem politischen Gegner eine Angriffsfläche. Aber es birgt auch Risiken. Denn die Kritiker der Gleichstellung werden sich nicht kampflos geschlagen geben. Sie kritisieren vor allem die Geschwindigkeit, mit der diese Kehrtwende vollzogen werden soll. Die Konservativen in der Partei warnen davor, dass die Kernwählerschaft vergrault werden könnte. Und sie fragen sich: Was bleibt von der Union eigentlich noch? Nach der Abschaffung der Wehrpflicht, dem Atomausstieg, dem Einsatz für Lohnuntergrenzen, dem Ende der Hauptschule geht mit dem Kurswechsel bei der Gleichstellung eine weitere konservative Position verloren. Bleibt nur das Betreuungsgeld als konservativer Wahlkampfhit.
Auf die CSU werden die konservativen Christdemokraten wohl nicht bauen können. Die Äußerungen am Wochenende waren kritisch. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte: „Es besteht kein Grund für einen Schnellschuss oder gar eine Kehrtwende bei der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft.“ Aber es ist nicht so, dass es bei der CSU keinen Verhandlungsspielraum gibt. Auch sie will kurz vor der Wahl in Bayern keine vom Bundesverfassungsgericht aufgezwungene Debatte. CSU-Chef Horst Seehofer vermeidet eine Verweigerungshaltung. Von ihm wissen sie in der CDU, dass er zur Kehrtwende bereit ist, wenn sie opportun erscheint. Und Seehofer deutete das schon an. „Wir wollen, dass dies sorgfältig diskutiert wird“, sagte er. Auch wolle er kein „Schnellverfahren“. Aber: In einer Gesellschaft gebe es Veränderungsprozesse, auf die Politik reagieren müsse. „Darüber muss man dann reden. Noch dazu, wenn ein oberstes Gericht entschieden hat.“ Und das hat es – bereits mehrfach.
Christian Tretbar