Kanzlerin beendet China-Reise: Merkel hofft auf friedliche Lösung in Hongkong
In China äußert sich die Kanzlerin noch einmal besorgt über die Lage in Hongkong. Zudem fordert sie mehr Engagement für die Umwelt – auch von Peking.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum Abschluss ihres China-Besuches erneut ihre Hoffnung geäußert, dass die Konflikte in Hongkong friedlich gelöst werden. Merkel sagte am Samstag in Wuhan, alles andere wäre aus ihrer Sicht „eine Katastrophe“. Man habe ihr bei diesem Thema in Peking „zugehört“. Es sei wichtig, immer wieder im Gespräch zu bleiben. Die Polizei in Hongkong verhinderte unterdessen am Samstag neue Proteste am Flughafen.
Merkel fügte hinzu, Hongkong stehe zwar derzeit im Vordergrund. Es gebe in China aber auch noch andere Menschenrechtsfragen. In Peking traf sie nach Angaben aus Regierungskreisen am Freitagabend auch chinesische Menschenrechtsanwälte. Merkel beendete ihre insgesamt dreitätige China-Reise am Samstag in der Elf-Millionen-Metropole Wuhan in Zentralchina.
Vor Studierenden an der Huazhong-Universität in der Elf-Millionen-Metropole rief Merkel die internationale Gemeinschaft auf, den Klimaschutz gemeinsam voranzutreiben. Merkel nahm dabei auch China in die Pflicht. Angesichts der Größe und der Wirtschaftskraft Chinas sei die internationale Gemeinschaft auch auf einen wichtigen Beitrag von hier angewiesen. „Klimaschutz ist Verantwortung für alle.“ Deutschland strebe bis 2050 Klimaneutralität an.
Die Kanzlerin sagte weiter, angesichts der Globalisierung seien gemeinsame Regeln unverzichtbar. Es bedürfe multilateralen Handelns, nicht Protektionismus', etwa im Handel. „Denn Protektionismus schadet am Ende uns allen.“ Man müsse sich für eine Politik entscheiden, die die nationalen wie internationalen Interessen im Auge behalte.
Es war Merkels zwölfter China-Besuch. Mit Wuhan in der Provinz Hubei hat sie dann die Hälfte aller Provinzen Chinas besucht. Wuhan ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort für deutsche Unternehmen.
China müsse mehr Verantwortung übernehmen, sagt Merkel
Multilaterales Handeln zahle sich aus, das sehe man an China, sagte die Kanzlerin. Viele Millionen Menschen hätten hier einen Weg aus der Armut gefunden. Heute zähle das Land zu den wichtigsten Akteuren in der internationalen Politik. Das bedeute auch Verantwortung bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit.
Kritisch äußerte sich Merkel über die Einführung eines sogenannten Sozialpunkte-Systems in China. In Europa werde dies für schlecht gehalten, sagte sie vor den Studierdenden. Dort gebe es eine Datensouveränität des Bürgers. Das sei also eine spannende ethische Diskussion, die die Welt noch sehr beschäftigen werde.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Johannes Vogel warnte davor, dass Mitarbeiter deutscher Unternehmen in China systematisch auf ihre wirtschaftliche und soziale Vertrauenswürdigkeit überprüft werden. Bei dem Sozialpunkte-System, das in dem Land gerade eingeführt wird, „brauchen auch deutsche Unternehmen Transparenz und Rechtssicherheit“, sagte der Vize-Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn zum Beispiel irgendwann auch Mitarbeiter in China aktiver deutscher Firmen betroffen sein sollten und so versucht werden würde, das Leben dieser Menschen auch bei uns bis in den Alltag zu beeinflussen, wäre das nicht akzeptabel.“
Das Sozialpunkte-System versucht, die wirtschaftliche und soziale Vertrauenswürdigkeit von Personen und auch von Firmen zu überprüfen, indem es auf Datenbanken zugreift, um die Kreditwürdigkeit, das Strafregister und das soziale und politische Verhalten zu prüfen. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hatte am Freitag bei einem Treffen mit Merkel versucht, das Streitthema herunterzuspielen. Es gehe dabei vor allem um die Aufdeckung von kriminellen Verstößen und Straftaten.
Politische Lösung für Hongkong gefordert
Die Kanzlerin sagte vor den Studenten in Wuhan weiter, China sei ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat. Das heiße, China habe bei weltweiten Konflikten Verantwortung, auf friedliche Lösungen hinzuwirken. Das gelte im Atomstreit mit dem Iran ebenso wie im Konflikt Chinas mit den Anrainern des südchinesischen Meeres. Heute müsse man sich auch fragen, ob China tatsächlich noch ein Entwicklungsland sei angesichts der enormen Modernisierung. In einigen Jahren müsse China jedenfalls noch mehr internationale Verantwortung übernehmen.
Am Freitag hatte Merkel in Peking neben Ministerpräsident Li auch Staats- und Parteichef Xi Jinping getroffen. Themen der Gespräche waren sowohl der Handelsstreit zwischen China und den USA als auch die Unruhen in Hongkong. Die Kanzlerin gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Handelskonflikt beendet werden kann, weil er auch auf andere Marktteilnehmer übergreife. Mit Blick auf Hongkong sagte sie, es müsse jetzt „alles daran gesetzt werden, Gewalt zu vermeiden“. Es müssten politische Lösungen durch Dialog gefunden werden.
Polizei in Hongkong verhindert Proteste am Flughafen
Chinas Premier zeigte sich mit Blick auf die Unruhen in Hongkong zurückhaltend. Die Zentralregierung unterstütze die Hongkonger Regierung, „Gewalt und Chaos“ im Rahmen der Gesetze zu beenden. Peking halte an dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ fest, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion regiert wird.
Mit einem Großaufgebot hat Hongkongs Polizei am Samstag einen neuen Protest am Hongkonger Flughafen verhindert. In Erwartung von Demonstranten, die sich für eine Protestaktion über das Internet verabredete hatten, reagierte die Polizei mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen.
Hunderte Bereitschaftspolizisten patrouillierten am Flughafen und in der Umgebung, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Auch der Verkehr zum Flughafen wurde streng überwacht. Beamte stoppten zahlreiche Autos und Busse, die in Richtung des Flughafens unterwegs waren. Statt am Flughafen versammelten sich Demonstranten in Einkaufszentren und an U-Bahn-Stationen in der Hongkonger Innenstadt, wie die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete.
Kritik von Aktivisten in Hongkong an Merkel
Der Flughafen, eines der wichtigsten Luftfahrtdrehkreuze der Welt, war in den vergangenen Wochen immer wieder das Ziel von Protesten geworden. Zuletzt hatten vergangenen Sonntag Tausende Protestler trotz eines Verbots vorübergehend den Betrieb lahmgelegt.
Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong zeigt sich enttäuscht über den Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel in Peking. „Ich danke Kanzlerin Merkel, dass sie Hongkong in Peking angesprochen hat, aber es war viel weniger deutlich als es sich die Hongkonger gewünscht hatten“, sagte Wong der „Bild am Sonntag“. „Das Geschäftsinteresse Deutschlands sollte nicht den universellen Wert außer Kraft setzen, an den wir glauben.“ Wenn die Kanzlerin etwas tun wolle, dann müsse sie Präsident Xi drängen, auf die Forderung nach freien Wahlen zu reagieren. (dpa, Reuters)