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Erst Hü dann Hott: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin wollen nun doch gemeinsam eine Ausstellung in St. Petersburg eröffnen. Ein „direktes Gespräch“ mit Putin habe dazu geführt, dass sie die zuvor verkündete Absage des gemeinsamen Besuchs revidiert werde, hieß es.
© dpa
Update

Eröffnung von Ausstellung in St. Petersburg: Merkel fordert Beutekunst von Moskau zurück

Die Eröffnung einer Ausstellung in St. Petersburg wurde fast zum deutsch-russischen Eklat. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte die unter anderem gezeigte Beutekunst in ihrer Rede ansprechen, durfte dies nicht und sagte deswegen kurzfristig ab. Jetzt sind Putin und Merkel doch zusammen hingegangen.

Es ist alles wieder gut zwischen dem Kremlchef und der Kanzlerin. Gemeinsam verkündeten Wladimir Putin und Angela Merkel gestern Abend die frohe Botschaft auf einer Pressekonferenz in St. Petersburg. Am Morgen hatte es noch nach einer kleinen Eiszeit in den russisch-deutschen Beziehungen ausgesehen. Obwohl Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow diese noch am Vorabend als „nachhaltig und stabil“ gelobt hatte und die Kanzlerin beim 17. Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg als Ehrengast gelistet war. Eine Auszeichnung, die für ausländische Staatschefs Seltenheitswert hat.

Anschließend wollten beide eine Ausstellung zur Bronzezeit eröffnen. Sie war als glanzvoller Abschluss des Deutschlandjahres in Russland gedacht und ist Teil der Projektes „Europa ohne Grenzen“. In diesem Rahmen hatten deutsche und russische Museen 2007 schon gemeinsam die Ausstellung „Das Gold der Merowinger“ gestaltet. Das Problem: ein Teil der gezeigten Kunstwerke sind Kriegstrophäen, die die Sowjetunion 1945 als Kriegsbeute vereinnahmte. In Deutschland konnte die Schau daher nicht gezeigt werden; die Bundesrepublik wäre verpflichtet gewesen, die Rückkehr der umstrittenen Kunstwerke nach Russland zu verhindern.

Bei der Bronzezeit-Ausstellung liegen die Dinge ähnlich. Rund 600 Exponate sind Kriegstrophäen, Darunter der weltberühmte, 3000 Jahre alte Goldschatz von Eberswalde. Er ist derzeit im Besitz des Moskauer Puschkin-Museums, dessen inzwischen hochbetagte Direktorin, Irina Antonowa, war 1945 selbst Beutekommissarin und ist Wortführerin der Falkenfraktion, die sich seit Jahren  gegen eine Restitution sperrt. Bei den Verhandlungen dazu verschlissen sich mehrere bundesdeutsche Kulturstaatssekretäre.

Merkel hatte die russische Seite wissen lassen, dass sie das Problem bei der Ausstellungseröffnung ansprechen werde. Moskau strich daher ihre Rede und auch die Putins. Dieser, so erfuhr die Kanzlerin unmittelbar vor dem Abflug nach St. Petersburg, sei in Terminschwierigkeiten. Daraufhin ließ Merkel ihre Teilnahme an der Ausstellungseröffnung absagen.

Nach einem „direkten Gespräch“ mit dem Gastgeber machte sie dann  einen Rückzieher. „Es ist eine wichtige Ausstellung“, sagte sie. „Wir werden dazu noch einmal Stellung nehmen.“ Nichts sei niemals abgesagt worden, sagte Putin schon beim Wirtschaftsforum. Er und Merkel, so zitierte ihn die Moskauer Nachrichtenagentur RIA nowosti, seien sich anfangs nur nicht sicher gewesen, ob genügend Zeit für eine gemeinsame Pressekonferenz und für einen Abstecher in die Eremitage zur Verfügung stehe, wo die Bronzezeit-Ausstellung gezeigt wird.

„Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungstücke wieder zurück nach Deutschland kommen sollen“, sagte Merkel dort. Sie sollten den Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern zurückgegeben werden. Deutschland und Russland hätten nach dem Krieg viel geschafft. Deshalb sei sie hoffnungsfroh, dass auch dieses Problem gelöst werde.

Putin sagte, die Ausstellung zeige, dass die gemeinsamen Wurzeln Russlands und Deutschlands in die Bronzezeit zurückgingen. „Was macht es einem ganz normalen Bürger aus, wo die Kulturgüter zu sehen sind – in Berlin, Sankt Petersburg, Moskau oder in der Türkei.“

Zuvor hatte er davor gewarnt, das Problem Beutekunst – in Russland wird der Tatbestand diskret mit „Verlagerung von Objekten durch Kriegsfolgen“ umschrieben – aufzubauschen. Stattdessen sollte man sich lieber in die Richtung bewegen, die Kunstspezialisten aus beiden Staaten eingeschlagen haben: Präsentation der Kunstwerke vor möglichst breitem Publikum. Erst nach Putins wegweisenden Worten berappelten sich staatsnahe russische Medien von ihrer Sprachlosigkeit. Zuvor hatten sie weder den Eklat noch Merkels Besuch erwähnt.

Kritische Experten dagegen erklärten Merkels Rücknahme des Rückziehers mit wachsender Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen. Ihren Bedarf an Erdgas deckt die Bundesrepublik  zu 45 Prozent aus Russland, bei Öl sind es immerhin 23. Vor allem dadurch verfehlte der gegenseitige Handelsaustausch 2012 nur knapp die Rekordmarke von 74 Milliarden  US-Dollar. Putin hält sogar 100 Milliarden im Jahr  für realistisch. „Unsere Kooperation entwickelt sich in allen Richtungen dynamisch.“ War da was mit Bronze?

Elke Windisch

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