Mit der Kanzlerin durch die Krise: Merkel findet die richtigen Worte
Die Kanzlerin verbindet ruhige Information mit einem eindringlichen Appell. Sie baut auf Vernunft, Verstehen, Verständnis. Ein Kommentar.
Das ist mal eine Merkel-Rede – ja, doch, eine Rede, wie sie nur diese Bundeskanzlerin halten kann. Denn diesen Ton hat nur Angela Merkel.
Mag man es sich in anderen Situationen auch anders wünschen, zupackender, energischer, richtungweisender, anregender, alles das: In einer Krise ist das nicht nötig, und zwar im Wortsinn.
Wenn die Not groß ist, darf die Form leiser sein. Nur schwache Argumente erzwingen Lautstärke – damit sie die Vernunft übertönen. Und eines kann man Merkel nicht bestreiten: dass sie eine Stimme der Vernunft ist.
Die Physikerin, immer mal wieder belächelt – hier und heute und morgen hilft das. Dem ganzen Land. Denn Physiker wissen, was Wissenschaft kann. Sie wissen, dass man über Versuchsanordnungen zum Ziel gelangt. Und dass sie Geduld haben müssen.
Keiner steht frühmorgens auf und kennt die rettende Weltformel schon. Merkel stand jetzt auch nicht vor den Deutschen und sagte, alles werde sofort gut, und zwar nur, weil sie das sagt.
Macho-Allüren oder -Attitüden liegen ihr fern. Fremd sind sie ihr nicht, sie hat ja auch in dieser Krise, der Coronakrise, mit denen zu tun, die in je unterschiedlicher Weise meinen, dem Virus allein schon mit Worten zu Leibe rücken zu können. Damit ist nicht allein der amerikanische Präsident gemeint.
Ihre Worte sind groß, klingen dennoch nicht überzogen
Mögen Merkels Reden manchem arg nach Sedativum klingen, so ist es diesmal eine Ansprache, die in geglückter Weise ruhige Information mit einem eindringlichen Appell verbindet. Nicht flehentlich, aber sehr eindrücklich. Die Kanzlerin fordert uns alle auf, Corona ernst zu nehmen, und strahlt diesen Ernst aus. Ihre Worte sind groß, klingen dennoch nicht überzogen: Kein „Krieg“, nein, das sagen und denken andere, sondern die schwierigste Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg.
Ihr Appell ist fürsorglich und klar in einem. Nur wenn wir alle verstehen, was zu tun oder, wichtiger, zu unterlassen ist, wird es einerseits besser werden – und staatlicherseits nicht härter.
„Passen Sie gut auf sich und Ihre Liebsten auf“
Denn die Kanzlerin kommt schon auch sehr nahe heran an das Wort Ausgangssperre. Sie sagt es nur nicht. Noch nicht. Es gibt Regierungschefs von großen Bundesländern, Politiker aus ihrer eigenen Partei, die es bereits aussprechen.
Das zeigt, wie Merkel denkt: in den Kategorien einer zivilen Zeit, die geprägt ist von unbedingtem Zusammenhalt und unverzichtbarer Solidarität. Sie baut auf Vernunft, Verstehen, Verständnis. Sie traut uns etwas zu.
Das macht Mut. Und eine solche Politikerin sagt dann zum Schluss auch kein „Vive la République!“, sondern: „Passen Sie gut auf sich und Ihre Liebsten auf“.
Was daran erinnert: Ihr Spitzname lautet „Mutti“. Vielleicht ist sie in ihrer Art für das Land in dieser Lage gerade richtig.