„Auf jeden Fall müssen wir etwas tun“: Merkel deutet Booster-Gipfel mit den Ländern an
Ältere Bürger sollen mit Auffrischimpfungen rasch gegen Impfdurchbrüche geschützt werden. Die Bundesregierung will sich dazu mit den Ländern beraten.
Wegen der sich wieder zuspitzenden Corona-Lage könnte es in wenigen Tagen einen Bund-Länder-Gipfel geben. Das Ziel ist, im ganzen Land rasch ältere Bürger mit Auffrischungsimpfungen besser gegen Impfdurchbrüche zu schützen. „Wir werden sprechen, auf welcher Ebene auch immer“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss des G20-Gipfels in Rom.
„Auf jeden Fall müssen wir etwas tun, damit diese dritte Impfung erfolgt“, betonte Merkel im Beisein von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Es gebe eine sehr unterschiedliche Situation in den einzelnen Bundesländern. „Das heißt, man muss jetzt auch noch mal mit den Bundesländern sprechen." Man könne ein Handeln jetzt nicht davon abhängig machen, wann es eine neue Bundesregierung gebe.
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„Der Anstieg ist im Augenblick aus meiner Sicht schon sehr besorgniserregend.“ Merkel mahnte flächendeckende 3G- oder 2G-Regeln an, um für mehr Schutz zu sorgen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Zuvor hatte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu einem „Booster-Gipfel“ aufgerufen.
Scholz, der eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP bilden will, zeigte sich zurückhaltender. Der mögliche Merkel-Nachfolger verteidigte, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite auf Wunsch der Ampel-Parteien trotzdem am 25. November auslaufen und die Lockdown-Regelungen aufgehoben werden sollen.
Es sei jetzt Sache des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers und der Länder-Gesundheitsminister, „möglichst viele Boosterimpfungen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen und überall dort, wo das empfohlen wird, auch Praxis werden zu lassen“.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mahnte schnelle Corona-Auffrischimpfungen vor allem für ältere Menschen an. „Die Booster-Impfung muss jetzt wirklich schnell sein. Es ist sehr gefährlich gerade für die Älteren auch in den Heimen, und da muss unser Schwerpunkt drauf liegen“, sagte Schwesig am Sonntag im „Bericht aus Berlin“ der ARD.
Schwesig sagte, wenn es notwendig erscheine, dass Bund und Länder sich treffen, dann solle das auch gemacht werden, unabhängig davon, welche Regierung künftig im Amt sei. „Corona ist eine gemeinsame nationale Aufgabe, und die haben wir immer parteiübergreifend gelöst.“
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Mit Blick auf Forderungen des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach, die Impfzentren wieder zu öffnen, betonte Merkel, die Zentren seien ja vor allem auf Betreiben der Länder geschlossen worden. Wenn die Länder nun nochmal auf den Bund zukommen, werde man sich dem nicht verweigern. Dennoch sei der Sachverhalt klar, betonte Merkel. „Es ist niemand daran gehindert, jetzt die Boosterimpfung zu machen.“
Vor allem die über 70-Jährigen müssten jetzt nach dem Empfehlungen der Ständigen Impfkommission nochmal geimpft werden.
Die Impfkampagne in Deutschland stagniert seit Wochen, erst rund zwei Drittel der Menschen sind dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Zudem gibt es immer mehr Impfdurchbrüche und auch wieder vermehrt Ausbrüche in Senioren- und Pflegeheimen.
Schon zu Beginn der kälteren Jahreszeit gehen die Zahlen der Neuinfektionen und Covid-19-Toten in die Höhe – und zwar deutlicher als im Vorjahreszeitraum. In den Fokus rückt nun immer mehr die Frage, ob und für wen ab wann Auffrischungsimpfungen nötig sind, also eine – in den allermeisten Fällen – dritte Spritze.
Bisher haben rund 1,9 Millionen Menschen den Booster erhalten
Nach Angaben des RKI haben bisher rund 1,9 Millionen Menschen den Booster erhalten. Andere Länder wie Belgien, Frankreich, Österreich aber auch Polen sind hier viel schneller als Deutschland. Doch auch hierzulande könnten es viel mehr sein.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte Anfang Oktober Auffrischungsimpfungen für Menschen ab 70 Jahren, Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen sowie medizinisches und Pflegepersonal empfohlen. Die Auffrischungsimpfung mit einem mRNA-Impfstoff soll der Stiko zufolge „frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen, unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde“.
Bei Älteren ist der durch die Impfung aufgebaute Immunschutz gegen das Virus im Vergleich zu Jüngeren häufig nicht so hoch und lässt mit der Zeit nach, so das RKI. Folge: Es treten vermehrt Impfdurchbrüche auf und es komme auch häufiger zu schweren Krankheitsverläufen unter den Älteren.
Einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zufolge wird der Booster nach ärztlicher Beratung sogar allen Menschen über 60 Jahre angeboten. Nach Ansicht von Gesundheitsminister Spahns sollten die Bundesländer diese Personen auch nochmal schriftlich einladen. „Konservativ gerechnet sind das momentan zwischen zehn und 13 Millionen Personen“, heißt es nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ aus dem BMG.
Spahn sagte ferner, jeder, der eine sogenannte Booster-Impfung mache, „tut auch was dafür, dass wir sicher durch den Winter kommen“. Es gehe primär um die Personenkreise, für die der Booster empfohlen werde. Für alle anderen sei es aber auch möglich. „Wir haben Impfstoff mehr als genug“, sagte Spahn dem Sender.
Rechtlich bindend ist nicht die Stiko-Empfehlung, sondern die Impfverordnung des BMG. Darin heißt es: Der Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus „umfasst Folge- und Auffrischimpfungen“. Das heißt: Jeder, der zu einer Grundimpfung berechtigt ist, kann auch eine Booster-Impfung bekommen. Nur die von der Stiko empfohlenen Abstände von in den meisten Fällen sechs Monaten zwischen Grund- und Auffrischungsimmunisierung sind einzuhalten.
Ärzte kritisieren Booster-Impfungen für alle
Aus der Ärzteschaft gibt es Kritik an den Forderungen nach Booster-Impfungen für alle. „Für die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen für Menschen jeglichen Alters gibt es bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Bei älteren Menschen könne die Auffrischungsimpfung das Infektionsrisiko aber tatsächlich erheblich reduzieren.
Er warf der Politik eine mangelnde Aufklärungs- und Informationspolitik vor. „Es wäre jetzt eigentlich Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über die Booster-Impfung für ältere Menschen zu informieren und auch mit den Falschinformationen in den sozialen Netzwerken aufzuräumen.“
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte dem Portal „Business Insider“, nicht für Jeden mache das Boostern Sinn. „Wir brauchen nicht in blinden Aktionismus zu fallen. Jetzt wäre es mindestens genauso wichtig, wenn sich möglichst viele Nichtgeimpfte noch vollständig impfen ließen.“