Frankreichs Präsident: Merci Macron, wir werden bewundert!
Nach Blingbling-Sarkozy und Rollerfahrer Hollande haben die Franzosen endlich einen vorzeigbaren Präsidenten. Schluss mit der Sehnsucht nach Mutti Merkel! Eine Kolumne.
Im Regierungsviertel von Berlin klebt eine Suchanzeige: „Deutscher Macron dringend gesucht!“ Die Liste der geforderten Qualitäten ist lang: Er muss jung sein, tatkräftig, ein begabter Redner, Gentleman, Europäer, Patriot. Ein Weltmann mit Ausstrahlung, Ideen, besser noch mit Visionen. Er muss den Wandel verkörpern, in der Generation, dem politischen System, in Stil und Rhetorik. Er muss die erschlaffte Demokratie wiederbeleben. Sicher ist: In diesem Land ist weit und breit kein Macron in Sicht.
Allerdings erwartet ihn auch eine schwierige Aufgabe: Er muss sein Land aus der Sackgasse führen, in der es seit Monaten steckt. Die Akteure des Dramas (oder der Farce, da gehen die Meinungen auseinander): eine Kanzlerin, durch das Wahlergebnis ebenso geschwächt wie durch ihre Unfähigkeit, die Kämpfe der verschiedenen Parteien beizulegen und in einer soliden Koalition das Land mit fester Hand zusammenzuhalten. Ein SPD-Chef, der seinen Delegierten ein knappes „Ja“ abgerungen hat und Gefahr läuft, im letzten Moment über ein „Nein“ der Mitglieder zu stolpern. Beide zwischen einem Schwarm von Bewerbern, die nur auf die Wachablösung lauern, selbsternannte Kronprinzen, vielleicht sogar ein paar Putschisten – aber ist ein Macron darunter?
Vor ein paar Tagen wartete ich in einer überfüllten Halle in Tegel auf den Flug nach Köln. Ein Mann rennt vorbei, das Handy unter das Kinn geklemmt, rot und atemlos. „Jens Spahn!“, ruft mein Nachbar so begeistert, als wenn George Clooney gerade zwischen Duty Free und Gate aufgetaucht wäre. Auch so einer, der seine Ambitionen kaum noch zurückhält. Jeder weiß, dass er seit einiger Zeit vom Stuhl der Kanzlerin träumt. Von weitem mustere ich ihn. Macron? Nein!
Christian Lindner, der Möchtegern-Macron, pah!
Vorigen Sonntag sehe ich mir die Talkshow von Anne Will an. Gerade echauffiert sich Christian Lindner, noch so ein Möchtegern-Macron. Er greift an, er kritisiert, er regt sich auf. Er hat gerötete Augen und einen Dreitagebart. Er lächelt nicht. Er kann kaum atmen. Manche behaupten, er habe das gleiche Alter, den gleichen Look, den gleichen Elan wie Emmanuel Macron. Nein, nein und nochmals nein!
Ehrlich gesagt freut es mich, dass mein Land endlich mal von den Deutschen bewundert wird. Jetzt haben auch wir einen Vorzeigepräsidenten. Jahrelang haben wir uns geschämt. Bei Zappel-Bling-Bling-Choleriker Sarkozy und Pudding-Motorrollerfahrer-mit-Croissants-Stillstand Hollande hatten wir nichts zum Stolzsein. Wir bewunderten die Haltung, die Bescheidenheit und die Seriosität der deutschen Kanzlerin. Aber heute. . . Wer will schon eine Mutti, wenn man einen Jupiter hat?
Übrigens ist es eine absurde Idee, den Präsidenten des Nachbarlandes klonen zu wollen. In Frankreich gibt es keine Macron-Euphorie. Drückt die verzweifelte Suche nach einem deutschen Macron nicht einfach große Verwirrung aus? Und den Misskredit, in den die politische Klasse und die traditionellen Parteien geraten sind? Aber bleiben wir auf dem Teppich: Wären die Deutschen überhaupt fähig, Emmanuel Macron zu wählen, wenn er ihnen zufällig über den Weg laufen würde? Einen Mann aus dem Nirgendwo, ohne Partei, die ihm den Rücken stärkt. Und wären sie unverfroren genug, jemanden zum Kanzler zu wählen, in dessen Programm der Umsturz der herrschenden politischen Ordnung steht, die Übernacht-Revolution des Landes?
- Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke