Amnesty International ehrt das Nadeem-Zentrum: Menschenrechtspreis geht an Zentrum für Folteropfer in Ägypten
Amnesty International ehrt das Nadeem-Zentrum, für seine Arbeit mit Folteropfern. Die Menschenrechtslage verschlechtert sich zunehmend in dem Land.
Sie können den Preis nicht selbst entgegennehmen. Aida Seif al Dawla, Suzan Fayad und Magda Adly sollen Montagabend mit dem Menschenrechtspreis von Amnesty International Deutschland ausgezeichnet werden, der alle zwei Jahre vergeben wird. Sie haben 1993 das Nadeem-Zentrum in Kairo gegründet, das Opfer von Gewalt und Folter versorgt. Doch sie können Ägypten zur Zeit nicht verlassen. Die Regierung hat ein Ausreiseverbot über zwei der drei Frauen verhängt.
Die Menschenrechtslage in dem Land befinde sich „auf einem Tiefpunkt“, wie Amnesty International berichtet. Seit Präsident Sisi 2013 an die Macht kam, habe sich die Situation dramatisch verschlechtert, sagt Najia Bounaim vom Nordafrikabüro der Organisation. Zehntausende Menschen wurden inhaftiert, 19 neue Gefängnisse errichtet, Folter und Misshandlungen seien an der Tagesordnung, heißt es in einem Bericht.
Das Nadeem-Zentrum versorgt die Opfer dieser Gewalt medizinisch und psychologisch und bietet rechtliche Beratung. Zudem dokumentiert und veröffentlicht es Fälle von staatlicher Folter. Seit einem Jahr ist die Klinik der Organisation allerdings geschlossen. Mitten in der Nacht kamen Regierungstruppen und versiegelten die Türen, erzählt Taher Mokhtar.
Er hat als Arzt von 2013 bis 2016 dort gearbeitet und soll am Montag den Preis anstelle der Gründerinnen entgegennehmen. Mokhtar selbst saß sieben Monate im Gefängnis, weil er sich in einer Kampagne engagierte, die fehlende ärztliche Versorgung in Gefängnissen anprangerte. Heute lebt er in Paris. „Ich selbst wurde nicht gefoltert“, sagt Mokhtar, aber viele seiner Mithäftlinge schon. „Sie geben den Menschen Elektroschocks oder hängen sie für Tage an ihren Füßen oder Händen auf“, erzählt er. Wenn die Opfer danach ins Nadeem-Zentrum kommen, werden sie kostenlos behandelt.
Amnesty kritisiert deutsche Kooperation mit Ägypten
In Ägypten gebe es kein funktionierendes Krankenkassensystem und ein Krankenhausaufenthalt sei sehr teuer. Die Ärzte des Zentrums übernehmen die Erstversorgung und verweisen die Patienten an Spezialisten. „Wenn man Menschen über einen längeren Zeitraum an ihren Händen von der Decke hängt, kann es zu Nervenschäden kommen“, erklärt Mokhtar.
Opfer hätten kein Gefühl mehr in den Fingern, könnten sie nicht ordentlich bewegen. Hier könne dann nur ein Neurologe helfen. Da die Klinik seit einem Jahr geschlossen ist, arbeiten die Aktivisten nun in den Einrichtungen von Kollegen oder machen Hausbesuche. Ein Gerichtsverfahren gegen die Schließung ist noch anhängig.
Konsequenzen habe das Verhalten des Präsidenten und der Sicherheitskräfte bisher keine, kritisiert Najia Bounaim. Die internationale Gemeinschaft ignoriere die Verstöße, da Sisi als Stabilitätsfaktor in einer Krisenregion wahrgenommen werde. Neben den USA und der EU kooperiert auch die Bundesregierung mit Ägypten seit dem vergangenem Jahr bei der Terrorabwehr und im Bereich organisierte Kriminalität.
Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, findet das problematisch. „Hier wird mit Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet die maßgeblich für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind“, sagt Beeko.
Er fordert von der Bundesregierung, mehr Druck auf das Land auszuüben, um gegen Folter und Misshandlungen vorzugehen. Deutschland soll auch die Aussetzung des neuen ägyptischen NGO-Gesetzes fordern. Es erlaubt den Organisationen lediglich Projekte, die von der Regierung vorher genehmigt wurden. Auf Verstöße stehen hohe Geldbußen und mehrjährige Gefängnisstrafen. Wenn das Gesetz in seiner jetzigen Form umgesetzt werde, drohe das Ende der unabhängigen Zivilgesellschaft.