Bundespräsident kommt nicht zum Presseball: Melnyk bedauert Absage Steinmeiers für „Solidaritätsball für die Ukraine“
Der Bundespresseball ist als Zeichen der Solidarität für die Ukraine geplant. Doch der Bundespräsident sagt ab. Der ukrainische Botschafter findet das schade.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seine Teilnahme am Bundespresseball an diesem Freitag abgesagt. Der Bundespräsident sei der Auffassung, dass aktuell „nicht die richtige Zeit“ für einen Ball sei, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Ausschlaggebend für die Absage sei der Krieg in der Ukraine.
Die jährlich stattfindende Veranstaltung soll in diesem Jahr allerdings ein „Solidaritätsball für die Ukraine“ sein. Eingeladen ist auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, der kürzlich schwere Vorwürfe gegen Steinmeier erhoben hatte.
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Melnyk bedauert die Entscheidung Steinmeiers. „Ich kann mir schon vorstellen, dass sich viele ukrainische Journalistinnen und Journalisten sowie der Vorstand der Bundespressekonferenz und natürlich zahlreiche Gäste darüber sehr gefreut hätten, wenn das deutsche Staatsoberhaupt diese geschichtsträchtige Benefiz-Gala und auch ihre noblen Ziele mit seiner Teilnahme politisch und menschlich unterstützt hätte“, sagte er der Deuschen Presse-Agentur. „Ich hoffe trotzdem, dass dieser Bundespresseball einen gewaltigen Impuls von Empathie und Support für die Ukraine, das ukrainische Volk und ganz besonders für freie ukrainische Medien geben wird.“
Melnyk wird dagegen an dem Ball teilnehmen. „Es wird mir eine besondere Ehre sein, als Gast dieser wichtigen Veranstaltung beizuwohnen, um deutschen Journalistinnen und Journalisten, die in diesen dramatischen Tagen und Wochen über meine Heimat und meine Landsleute - auch jetzt mitten aus den Kriegsgebieten - berichten, einen tief empfundenen Dank zu äußern“, sagte Melnyk. Er hat Steinmeier in der Vergangenheit wiederholt zu große Nähe zu Russland vorgeworfen. Die Ukraine hatte kürzlich einen geplanten Besuch des Bundespräsidenten in Kiew kurzfristig abgesagt.
Scholz nimmt wegen Japan-Reise nicht teil
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird nicht am Bundespresseball teilnehmen, wie ein Regierungssprecher am Montag auf Anfrage mitteilte. Er steht damit gewissermaßen in der Tradition seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU), die dem Bundespresseball ebenfalls regelmäßig fern blieb. Scholz reist am Mittwoch nach Japan und kehrt erst am Freitag von dieser Reise zurück.
Der Bundespresseball wird von der Bundespressekonferenz ausgerichtet, einem von der Regierung unabhängigen Verein von Journalistinnen und Journalisten, die aus der Hauptstadt über die deutsche Politik berichten. Bei der Veranstaltung hat der Bundespräsident traditionell eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle: Er eröffnet den Ball mit dem ersten Tanz. Dass ein Staatsoberhaupt fehlte, gab es nach Angaben der Bundespressekonferenz erst einmal in deren Geschichte: Wegen eines Staatsbesuchs in China sagte Roman Herzog, der von 1994 bis 1999 Bundespräsident war, seine Teilnahme ab.
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Geplant ist eine Spendenaktion für ukrainische Journalistinnen und Journalisten, schon im Vorfeld werden die Mitglieder der Bundespressekonferenz zu Spenden aufgerufen.
Steinmeier kommt nicht, will aber spenden
Steinmeier teilte dem Verein nun mit, er nehme gern die Gelegenheit wahr, sich mit einer Spende zu beteiligen. „Von der Teilnahme am Bundespresseball möchte der Bundespräsident in diesem Jahr absehen“, heißt es in der offiziellen Antwort auf die Einladung.
[Lesen Sie hier bei Tagesspiegel Plus das Interview mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk.]
Melnyk hatte den Bundespräsidenten kürzlich in einem Tagesspiegel-Interview scharf angegriffen. Steinmeier habe seit Jahrzehnten ein „Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft“, sagte der Botschafter.
Das Verhältnis zu Russland sei für den Bundespräsidenten „etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht“. Kurz nach dem Erscheinen des Interviews gab Steinmeier erstmals eigene Fehler in der Russland-Politik zu.
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Zuletzt hatte es einen diplomatischen Eklat gegeben, nachdem die Ukraine signalisiert hatte, dass ein geplanter Besuch Steinmeiers in Kiew gemeinsam mit den Staatschefs aus Polen und den baltischen Staaten nicht willkommen sei.
Im Bundespräsidialamt wird bestritten, dass die Absage mit Steinmeiers Verstimmung über Melnyk in Zusammenhang stehen könnte. Mit der Person des ukrainischen Botschafters habe diese Absage „null“ zu tun.
[Transparenz-Hinweis: Die Autorinnen sind Mitglieder des Vereins Bundespressekonferenz.]