Sind Habeck und Baerbock zu unerfahren?: Mehrheit der Wähler traut Grünen die Kanzlerschaft nicht zu
Die Grünen wollen es bei der Bundestagswahl 2021 mit der CDU aufnehmen. Eine Umfrage im Auftrag des Tagesspiegels zeigt: Den meisten kommt das zu früh.
Rund zehn Monate vor der Bundestagswahl 2021 haben sich die Grünen noch nicht darauf festgelegt, welchen Kanzlerkandidaten sie ins Rennen schicken. Welcher der Parteichefs macht es – Annalena Baerbock oder Robert Habeck?
Wie auch immer sich die Parteibasis entscheiden wird: Laut einer repräsentativen Civey-Umfrage im Auftrag des Tagesspiegels halten zwei Drittel der Deutschen die Grünen politisch für zu unerfahren, um nach der kommenden Bundestagswahl den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin zu stellen. Während rund 67 Prozent das so sehen, sind die Grünen nur für rund 27 Prozent erfahren genug.
Dabei stehen die Grünen in den Umfragen so gut da wie lange nicht. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Partei laut Politbarometer auf 20 Prozent der Stimmen und wäre damit hinter der Union (37 Prozent) die zweitstärkste politische Kraft. Die Grünen ließen damit die SPD (16 Prozent) hinter sich.
Wenig überraschend sind Grünen-Wähler die Gruppe, die ihre Partei mehrheitlich für erfahren genug halten, um den Bundeskanzler zu stellen – rund 83 Prozent. Grünen-Chef Habeck hatte sich die Übernahme der Kanzlerschaft zuletzt auch zugetraut. Man müsse „sich selbst überprüfen, ob man glaubt, man hat das moralische Rüstzeug und innere Ruhe, man hat einen Plan, was man will“, sagte Habeck in der ARD.
„Diesen Plan habe ich, und deshalb ist die Antwort: Ja, diese Prüfung würde ich für mich bestehen.“ Viele Grüne sehen allerdings seine Kollegin Baerbock als bessere Kanzlerkandidatin. Bis zur Wahl „geben wir unser Bestes“, sagte Habeck in der ARD. „Ich gebe mein Bestes, Annalena gibt ihr Bestes, und dann werden wir sehen, was daraus wird.“
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Wähler der anderen Parteien, die es wieder in den Bundestag schaffen könnten, halten die Grünen für mehrheitlich ungeeignet den Kanzler zu stellen: Bei Wählern der Linken (50 Prozent) und SPD (54 Prozent) fällt das Urteil noch gemäßigt aus. Unter Wählern der CDU/CSU, FDP und AfD halten teils deutlich mehr als zwei von drei Anhängern die Grünen für politisch zu unerfahren.
Und auch beim Alter gibt es eine klare Tendenz: Je jünger die Deutschen, desto überzeugter sind sie, dass die Grünen politisch erfahren genug sind, um ab 2021 den Kanzler zu stellen. Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es noch rund 42 Prozent und unter den 30-39-Jährigen rund 35 Prozent, die das so sehen. Zweidrittel der Deutschen, die älter als 40 Jahre alt sind, halten die Grünen für nicht erfahren genug – unter den Deutschen über 65 Jahre sind es sogar rund 78 Prozent.
Zur Tendenz beim Alter passt: So sind es mehrheitlich die Studenten, die die Grünen erfahren genug sehen, um die Kanzlerschaft zu übernehmen. Unter Arbeitnehmern, Selbstständigen oder Rentnern findet sich sonst keine Gruppe, in der das mindestens ein Drittel der Befragten so sehen.
Die Grünen wollen auf ihrem digitalen Bundesparteitag ab Freitag das vierte Grundsatzprogramm seit ihrer Gründung vor 40 Jahren beschließen. Die Arbeit daran hatte im Frühjahr 2018 begonnen, kurz nachdem Baerbock und Habeck an die Parteispitze gewählt worden waren.
Auch wenn es noch nicht ums Wahlprogramm und noch weniger um den Kanzlerkandidaten oder die Kanzlerkandidatin der Grünen geht, nimmt die Partei damit schon Anlauf für das kommende Jahr mit der Bundestagswahl im Herbst. Das ehrgeizige Ziel: Den Kampf mit der Union aufnehmen. Die Union sei ein „Scheinriese“, sagte Habeck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Der hohe Zuspruch für die Union ist der Zuspruch für die Bundeskanzlerin. Aber Frau Merkel tritt nicht nochmal an.“