Nach verheerender Explosion in Beirut: Mehrere Verletzte bei Protesten gegen die Regierung
Mindestens 137 Menschen starben bei der Explosion, weitere 5000 wurden verletzt. Jetzt entlädt sich in der Hauptstadt der Zorn der Libanesen.
In Beirut ist es zu Konfrontationen zwischen Sicherheitskräften und über die Explosionskatastrophe aufgebrachten Demonstranten gekommen. In einer durch die Detonationen verwüsteten Straße nahe des Parlaments setzten die Sicherheitskräfte am Donnerstag Tränengas gegen Demonstranten ein. Protestierende hätten Steine auf die Einsatzkräfte geworfen und Geschäfte beschädigt, meldete die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA.
Einige Demonstranten seien bei dem Einsatz der Sicherheitskräfte verletzt worden. Dutzende hätten versucht, die Absperrung zum Parlamentsgebäude in der libanesischen Hauptstadt zu durchbrechen. Die Demonstranten zündeten dort auch Werbetafeln, Bretter und Müllhaufen an.
Viele Menschen sehen die verheerenden Explosionen als Beleg für die Inkompetenz der Regierung – ein Vorwurf, der in der libanesischen Bevölkerung weit verbreitet ist. Schon vor der Katastrophe hatte es immer wieder Demonstrationen gegen die Regierung gegeben, der viele Bürger auch Korruption vorwerfen.
Der Libanon steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Krise war in den vergangenen Monaten durch die Coronavirus-Pandemie verschärft worden. "Wir können es nicht mehr ertragen. Das war's. Das ganze System muss weg", sagte der 30-jährige Demonstrant Mohammad Suyur der Nachrichtenagentur AFP.
Durch die zwei gewaltigen Explosionen am Dienstagabend waren große Teile der libanesischen Hauptstadt schwer beschädigt worden. Nach Angaben der Behörden wurden mindestens 137 Menschen getötet und mehr als 5000 weitere verletzt. Explodiert waren nach den Behördenangaben 2750 Tonnen Ammoniumnitrat, das jahrelang ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen in einer Lagerhalle am Hafen untergebracht gewesen war.
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Ammoniumnitrat kann für Düngemittel oder zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden. Die genauen Ursachen der Explosionen sind noch ungeklärt. 16 Hafen-Mitarbeiter wurden inzwischen in Gewahrsam genommen, wie die Militärstaatsanwaltschaft mitteilte.
Außenminister Heiko Maas warnt vor „politischem Vakuum“
Derweil warnte Bundesaußenminister Heiko Maas in der „Saarbrücker Zeitung" am Freitag vor einer weiteren Destabilisierung des Libanon und warb für eine zeitnahe internationale Geberkonferenz. Er befürchtet, es könne ein politisches Vakuum entstehen, das von Akteuren wie der schiitischen Hisbollah-Miliz, die aus dem Ausland finanziert wird, ausgenutzt werden könnte.
Die Bundesregierung wolle den Libanon stärken, denn die Lage dürfe nicht genutzt werden, um ausländischem Einfluss „Tür und Tor zu öffnen", sagte Maas. Auch könne kein Land eine derartige Katastrophe alleine bewältigen. In der EU müsse daher überlegt werden, wie die weitere Hilfe bei der Versorgung mit Nahrung und Notunterkünften sowie beim Wiederaufbau von Hafen und Stadt organisiert werden könne.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch in Beirut eine baldige internationale Hilfskonferenz an. Dabei solle es um eine internationale Finanzierung für Medikamente, medizinische Behandlung oder Nahrungsmittel unter Verteilung durch UN und Weltbank gehen, sagte Macron. Europäer, Amerikaner und Länder der Region seien gefordert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel riefen zu einer verstärkten Unterstützung auf.
Währungsfonds bindet Hilfe an Wirtschaftsreform
Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon helfen, besteht im Gegenzug aber auf nötigen Wirtschaftsreformen. Alle Möglichkeiten der Hilfe würden geprüft, erklärte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.
Wegen einer Wirtschaftskrise war der Libanon schon vor der Explosion im Gespräch mit dem IWF für ein Rettungspaket, das vermutlich mehrere Milliarden Dollar umfassen würde. Die Verhandlungen dazu kamen bisher nur schleppend voran.
Im Libanon war es bereits seit Oktober zu Massenprotesten gekommen, die auch zum Rücktritt von Ministerpräsident Saad Hariri führten. Sie richteten sich gegen die Führung des Landes, der die Demonstranten Korruption und Verschwendung von Staatsgeld vorwerfen. Die Proteste hatten das öffentliche Leben in der Hauptstadt teilweise lahmgelegt. (AFP, dpa)
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