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AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel begrüßt ihre Kontrahenten Sahra Wagenknecht, Cem Özdemir, Joachim Herrmann und Christian Lindner.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

TV-Fünfkampf zur Bundestagswahl: Mehr Schwung und direkte Debatte bei den "Kleinen"

Endlich Disput: Beim Fünfkampf in der ARD liefern sich die Spitzenkandidaten von Linken, Grünen, CSU, FDP und AfD eine kontroverse Debatte zu Flüchtlingen, Mietpreisbremse und Diesel.

FDP-Parteichef Christian Lindner wollte noch etwas sagen, zum Euro und zum Wohnungsbau, aber da war ja noch die Moderatorin Sonia Mikich, die äußerst streng feststellte: „Nein, das dürfen Sie nicht.“ Zuvor hatte ihr Co-Moderator Christian Nitsche schon den Grünen Cem Özdemir angefahren, es sei ja ganz schön, „dass sie hier untereinander diskutieren“, aber man habe einen Zeitplan einzuhalten.

Beim TV-Auftritt der fünf kleinen Parteien in der ARD, die nach dem großen sonntäglichen Duell zwischen Kanzlerin Merkel (CDU) und Herausforderer Schulz (SPD) am Montag an der Reihe waren, war der Spagat zwischen Disput und Disput-Kontrolle schon allein spannend. Denn tatsächlich stoppten die beiden Moderatoren die Kontrahenten zumindest anfangs oftmals genau dann, wenn es wirklich interessant wurde.

Genau das, was die Zuschauer nämlich am Vortag nicht erkennen konnten, nämlich grundsätzliche, ja ideologische Unterschiede, waren in dieser Runde gut zu betrachten. Man musste aber allein wegen der Anzahl der Diskutanten genau hinhören. Beispielsweise war da die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, die voller Inbrunst meinte, dass man den sozialen Wohnungsbau dem „Gleichgewicht des Marktes“ überlassen müsse. Weidel führte fast alle sozialen Probleme auf die „Nullzinspolitik“ der EZB zurück. Sahra Wagenknecht, die Linken-Spitzenfrau, kritisiert auch die Zinspolitik der EZB, rief hier aber in die Runde, dass sozialer Wohnungsbau eine staatliche Aufgabe sei und keine „Kartoffeln“, die man dem Markt überlassen könne.

Vor allem eine Frage ist noch offen: Wer wird Dritter

Dass es am Montag nicht so harmonisch zugehen würde, war allerdings erwartbar. In der Schlussphase des Wahlkampfs ist schließlich vor allem eine Frage noch offen: Wer wird nach Union und SPD Dritter? Wer kann die Partei sein, die eine Neuauflage der großen Koalition verhindert? Derzeit liegen Linkspartei, Grüne und AfD in den Umfragen nahezu gleichauf. Es begann dann allerdings doch sehr vorhersehbar. Weil nach dem großen TV-Duell am Sonntag vor allem kritisiert worden war, dass die Zukunftsfragen nicht gestellt worden seien, begannen die Moderatoren mit dem Thema Digitalisierung. Christian Linder durfte als Erster mehr oder weniger sein Wahlprogramm herunterbeten. Glücklich war auch nicht die Frage an Alice Weidel, ob sie denn auch „Glasfaser“ könne, denn was sollte sie anderes sagen als: Ja.

Erst als Joachim Herrmann (CSU) euphorisch Bayern dafür lobte, dass man den digitalen Netzausbau vorantreibe, wurde es erstmals interessant. Wagenknecht nutzte die Vorlage. Sie lobte die CSU ironisch dafür, weil sie offensichtlich kapiert habe, dass die Privatisierung der Netze verheerend und der Staat eben an dieser Stelle gefordert sei. Danach versuchten die Moderatoren möglichst streng möglichst viele Themen anzusprechen, obwohl es am Anfang hieß, dass es eigentlich „keine starren Regeln“ geben sollte.

Bei der Bildung, der Rente oder auch dem Flüchtlingsthema gab es keine Überraschungen, außer, dass die AfD-Frau eine Obergrenze von 10.000 für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz einführen will und dem bayerischen Innenminister vorrechnete, dass sein Bundesland eine geringere Abschiebequote als Baden-Württemberg habe. Özdemir war sich wiederum mit der Linken einig, das es keine Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien geben dürfe. Dafür war er ihr vor, sie würde bei der Europa-Politik AfD-Positionen vertreten, was Wagenknecht empört zurückwies.

Die Angriffslustigste hat auch die meiste Redezeit

Nach der Hälfte der Sendezeit war es nicht ganz verwunderlich, dass die Angriffslustigste auch die meiste Redezeit hatte, nämlich Sahra Wagenknecht, während Christian Lindner bei dieser Wertung auf dem letzten Platz lag. Danach durften die einzelnen Gäste sich gegenseitig Fragen stellen, auch das war durchaus amüsant und lehrreich.

Natürlich knöpfte sich Lindner den Grünen-Lieblingsfeind vor, allerdings nachsichtig, weil er seine Frage an Cem Özdemir, den er duzt, damit einleitete, dass der ja womöglich der künftige Außenminister sei. Ein Lob also, aber ein vergiftetes, weil Lindner Özdemir vorwarf, er kritisiere immer Kreml-Chef Putin, wolle aber nicht aufrüsten. Hintergrund war die Kritik Özdemirs an Lindners Position, er wolle den Krim-Konflikt einfrieren, um mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen. Özdemir aber plädierte für ein atomwaffenfreies Europa.

Interessant auch, dass Wagenknecht ausgerechnet Weidel fragte. Sie gestand ihr zwar zu, „Teil eines konservativen, demokratischen Diskurses“ zu sein, wollte aber wissen, ob sie sich in einer solchen Partei mit „handfesten Halb-Nazis“ wohlfühle? Weidel antwortete, so wie Wagenknecht „ein Einzelfall in ihrer Partei“ sei, gebe es in einer Partei mit 28.000 Mitgliedern auch Einzelfälle. Auch sie ignorierte die Frage und verkündete: „Unsere Bundestagslisten haben das höchste Akademisierungsniveau.“ Da wenigstens ließen die Moderatoren einen schnellen Einwand Christian Lindners zu: Es gehe hier ja wohl nicht um Doktor-Titel, sondern um Charakter.

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