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Wie machen wir das bloß mit dem fehlenden Geld? Die Sondierer Volker Wissing (FDP), Lars Klingbeil (SPD) und Michael Kellner (Grüne) am Mittwoch nach der zweiten Runde.
© Kay Nietfeld/dpa

Die Ampel-Sondierer und die Finanzen: Mehr Schulden dank verlängerter Notlage?

Das Geld reicht nicht für alle Wünsche, und die FDP hält an der Schuldenbremse fest. Eine Ökonomen-Idee soll die Rettung bringen. Aber sie hat Haken.

Kippt die Ampel die Schuldenbremse? Oder kippt die Schuldenbremse die Ampel? Darum geht es in den Sondierungsrunden von SPD, Grünen und FDP. Der rot-grüne Teil der Noch-nicht-Koalition sieht die Schuldenbegrenzungsregel im Grundgesetz skeptisch bis ablehnend. Die FDP dagegen will an ihr festhalten, betrachtet das als rote Linie, wie Generalsekretär Volker Wissing durchblicken ließ, sie stemmt sich gegen jede „Aufweichung“. Aber lassen die Freien Demokraten daran die Gespräche scheitern? Oder geben Sozialdemokraten und Grüne, die deutlich mehr staatliche Investitionen fordern, der kleinsten Partnerin nach? Andererseits: Will nicht auch die FDP mehr Investitionen?

So drehen sich die rot-grün-gelben Gespräche in diesen Tagen wohl darum, wie man um die Schuldenbremse herumkommt, ohne sie aufzuweichen. Die Grünen wollen einen Riesenfonds auflegen, der kreditfinanziert Investitionen vor allem in den Klimaschutz fördern hilft. Der Öko-Fonds wäre aus Grünen-Sicht kein Bruch mit der Schuldenbremse, denn die gilt für den Bundeshaushalt, nicht für ausgelagerte Nebenhaushalte. Man könnte solche zeitlich und vom Volumen her begrenzten Fonds natürlich auch für andere Projekte auflegen, etwa Investitionen in die Digitalisierung, ein Kernanliegen der FDP. Aber das Wirtschaften mit Nebenhaushalten ist nicht deren Sache.

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Unterstützung bekommen die Freien Demokraten dafür von den Präsidenten der deutschen Rechnungshöfe. In einer Erklärung stellten sie vorige Woche fest, dass die Einhaltung der Schuldenbremse „ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen, künftigen Generationen gerecht werdenden Haushaltspolitik“ sei. Eine Umgehung der Schuldenbremse „durch Auslagerung der Kreditaufnahme aus den Kernhaushalten etwa in Fonds, Nebenhaushalte und andere Konstruktionen gilt es zu vermeiden“.

Nebenhaushalt im Etat

Aber was dann? Einige Ökonomen haben nun die Idee aufgebracht, den Nebenhaushalt sozusagen im Etat anzulegen und dafür die Notfallregelung der Schuldenbremse zu nutzen. Das wird von ihnen als Brücke für die FDP betrachtet, den schwierigen Weg zu gehen. Angesichts eines großen Investitionsbedarfs sieht etwa der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, nur die Alternative zwischen Steuererhöhungen und einer hohen Kreditaufnahme. 350 Milliarden Euro seien in den kommenden Jahren für Investitionen nötig. Daher solle die neue Regierung im Etat 2022 noch einmal ordentlich neue Schulden machen und damit einen Fonds füllen.

Auch der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest, unterstützt den Ansatz. Er schlägt vor, 2022 eine kreditfinanzierte Rücklage im Etat zu schaffen. „Auch dabei handelt es sich ehrlicherweise um eine Art Nebenhaushalt“, schreibt er zwar in der „FAZ“, aber es wäre „eine einmalige Operation, die sich nicht ohne Weiteres wiederholen lässt“. 2023 würden die Defizitgrenzen der Schuldenbremse dann wieder wirken.

Finanzminister und Kanzleraspirant Olaf Scholz hat im Etatentwurf für 2022 fast 100 Milliarden Euro an neuen Krediten eingeplant, begründet mit der Notfallsituation der Corona-Pandemie, die zu Steuerausfällen und massiven Zusatzausgaben geführt hat. Diese 100 Milliarden, auch mehr oder weniger, könnten dann die Rücklage bilden, die über mehrere Jahre hinweg aufgelöst würde, um Investitionen zu finanzieren.

"Weg muss gut begründet werden"

Doch gibt es da einige Haken. Nicht umsonst sagt Fratzscher, man müsse diesen Weg "gut begründen". Zum einen hat Scholz 2020 und 2021 noch deutlich mehr neue Kredite eingeplant gehabt – im ersten Pandemiejahr 218 Milliarden Euro, im laufenden Jahr 180 Milliarden. Im Vorjahr wurde die Kreditermächtigung bei weitem nicht ausgenutzt, es mussten nur 130 Milliarden neue Schulden gemacht werden. Die Corona-Wirtschaftskrise war weniger schlimm als zunächst angenommen. Auch in diesem Jahr wird der Bund den Kreditrahmen nicht ausschöpfen. Damit stellt sich die Frage, ob die im März beschlossenen 100 Milliarden Euro 2022 tatsächlich notlagenbedingt nötig sein werden.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Das Traumhaus des FDP-Chefs]

Zum anderen dürfen Notlagenkredite nach der Schuldenregel nur zur Bewältigung der direkten Folgen der Pandemie verwendet werden. Darauf haben die Rechnungshofpräsidenten nochmals verwiesen. Es müsse „ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Krisenbewältigung vorliegen“. Fonds oder Rücklagen, die über viele Jahre nach dem Ende der Pandemie noch zu Investitionszwecken genutzt werden, könnten dem Kriterium nicht genügen. Nach dem Grundgesetz kann von der Schuldenbremse abgewichen werden in „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.

Kredite müssten getilgt werden

Und es gibt noch einen dritten Haken: Die Notlagenkredite müssen zwingend getilgt werden, was bei konjunkturbedingten Krediten, welche die Schuldenbremse auch erlaubt, nicht nötig ist. Die neuen Schulden, die 2022 hinzukommen, müssen zudem im Gegensatz zu den Notlagenkrediten von 2020 und 2021 fast komplett zurückgezahlt werden. Die Rückzahlungsraten sind dann feste Posten in späteren Etats und engen deren Spielräume ein.

Völlig neu wäre die Rücklage nicht. Es gibt sie schon seit einigen Jahren, angelegt vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der nannte das Flüchtlings-Rücklage, weil mit den nach 2014 anfallenden Überschuss-Milliarden die Kosten der Zuwanderung gedeckt werden sollten. Tatsächlich dienen die fast 50 Milliarden Euro, die sich mit der Zeit angesammelt haben, nun dem Etatausgleich in den kommenden Jahren. Die "Groko" hätte der "Ampel", wenn sie denn kommt, so das Haushalten etwas einfacher gemacht.

Es gibt schon eine Rücklage

Allerdings gibt es diese Rücklage auch wieder nicht. Denn das Finanzministerium hat das Geld nicht etwa in einen virtuellen Topf gelegt, wo es darauf wartet, abgerufen zu werden. Die Überschüsse wurden tatsächlich genutzt, um erst einmal alte Kredite zu tilgen. Aktiviert wird die Rücklage, indem wieder Schulden in der nötigen Höhe gemacht werden. Streng genommen sind das neue Kredite. Aber der Haushaltstrick blieb im Bundestag unbeanstandet, er gilt als sinnvoll. Wie wäre das bei der nun geforderten Rücklage aus Notfallkrediten? Liefe es ebenso, würden also neue Schulden gemacht, um damit zunächst teilweise alte Schulden zu tilgen, um später dann Investitionen zu finanzieren.

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