Gesundheitsminister Spahn plant Reform: Mehr Geld für Therapeuten
Gesundheitsminister Jens Spahn will, dass Therapeuten besser verdienen. Zudem sollen sie künftig selber über die Behandlungsdauer entscheiden dürfen.
Gesundheitsminister Jens Spahn will Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Podologen mehr Verantwortung übertragen und ihre Honorare deutlich erhöhen. Zudem soll ihre Arbeit entbürokratisiert und das Schulgeld für Auszubildende abgeschafft werden. Das ist einem vierseitigen Eckpunktepapier zu entnehmen, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Anlass für den Vorstoß des CDU-Politikers ist der zunehmende Therapeuten-Engpass, den jüngst auch die Bundesagentur für Arbeit dokumentiert hat. Die Arbeitslosenquote für Physiotherapeuten und Podologen liegt demnach bei 0,9 Prozent, für Sprachtherapeuten bei 1,1 Prozent. Einzig in der Ergotherapie sei kein Fachkräftemangel feststellbar, heißt es in Spahns Papier.
Bezahlung deutlich unter anderen Gesundheitsberufen
Ursächlich für die fehlenden Therapeuten sei unter anderem die schlechte Bezahlung. Die durchschnittlichen Arbeitsentgelte in ambulanten Praxen lägen „deutlich unter den von anderen Gesundheitsfachberufen“. Und das Vollzeit-Brutto der rund 178.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Heilmittel-Therapeuten liegt auch um fast 1000 Euro unter dem, was die Gesamtheit der Beschäftigten im Schnitt verdient.
Im Jahr 2017 kamen Physiotherapeuten auf ein Durchschnittseinkommen von 2272 Euro brutto. Ergotherapeuten gingen im Schnitt mit 2474 Euro nach Hause, Sprachtherapeuten mit 2299 Euro. Am untersten Ende rangieren Fachkräfte für Fußpflege: Sie verdienten nur 1746 Euro. Im Krankenhaus erhalten Heilmittelerbringer mit durchschnittlich 3059 Euro pro Monat fast einen Tausender mehr.
Um den Therapeutenberuf attraktiver zu machen, plant Spahn, die Honorare von der Grundlohnsumme abzukoppeln. Sie können dann stärker steigen als die beitragspflichtigen Einnahmen aller gesetzlich Krankenversicherten.Zudem sollen die Entgelte zum Jahr 2020 vereinheitlicht werden – und zwar durch Anhebung auf den „höchsten von einer Krankenkasse in einer Region vereinbarten Preis“.
Über Behandlungsdauer sollen künftig Therapeuten entscheiden
Des weiteren will der Minister sogenannte Blankoverordnungen ermöglichen. Das bedeutet, dass Ärzte zwar auch künftig Heilmittel verordnen müssen, die Behandlungsdauer und -frequenz aber von den Therapeuten selber bestimmt wird. Die Selbstverwaltung soll dafür bis Ende März 2020 Indikationen festlegen, heißt es in dem Papier. Dabei sei dann aber auch „die höhere Verantwortung der Heilmittelerbringer für künftige Mengenentwicklungen zu berücksichtigen“.
Gleichzeitig seien „Ursachen für das regional unterschiedliche Verordnungsverhalten“ von Ärzten herauszufinden. Und zur Abschaffung des vielerorts üblichen Schulgelds hätten Bund und Länder gemeinsam ein Konzept zu entwickeln. Bisher müssen angehende Therapeuten für ihre Ausbildung bis zu 25.000 Euro bezahlen.
Bayern streicht als erstes Bundesland das Schulgeld
Bayern preschte am Dienstag schon mal vor. Im Beisein von Spahn beschloss das Kabinett in München, das Schulgeld ab dem zweiten Schulhalbjahr 2018/2019 entfallen zu lassen. Damit werde "die Ausbildung attraktiver und die Nachwuchsgewinnung in diesen für die Gesundheitsversorgung wichtigen Berufen deutlich erleichtert", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er sprach von Kosten von 13 Millionen Euro pro Schuljahr.
Spahn nannte es "verrückt", dass man für diese Ausbildungen noch Geld bezahlen müsse. Er lobte die bayerische Initiative als "sehr starkes Signal".
CDU-Experte. Hätte mir mutigeren Schritt gewünscht
Dem CDU-Politiker Roy Kühne, selber ausgebildeter Physiotherapeut, geht Spahns Reform dagegen nicht weit genug. Wenn man mit der besseren Entlohnung bis zum Jahr 2020 warte, würden "noch sehr viele Therapeuten die Praxen verlassen", sagte er dem Tagesspiegel. Bei der Streichung des Schulgeldes sieht er die Gefahr, dass man das Problem an die Länder delegiere. Nicht überall könnten Politiker so ins Volle greifen wie in Bayern.
Auch bei Spahns Vorstoß für Blanko-Verordnungen hätte sich Kühne "einen mutigeren Schritt gewünscht". In vielen anderen Ländern Europas gebe es einen Direktzugang der Patienten zu Therapeuten, sagte er. In Deutschland müssten sie sich die Heilmittelbehandlung auch weiterhin vom Arzt verordnen lassen. Das belaste die Arztpraxen unnötig. "Dass man die Patientenbehandlung auf viele Schultern verteilen kann, ist in der deutschen Gesundheitspolitik offenbar immer noch nicht angekommen."