Nawalny-Anhänger protestieren gegen Putin: Mehr als 5000 Festnahmen in Russland – Nawalnys Frau wieder auf freiem Fuß
In zahlreichen russischen Städten geht die Opposition auf die Straße. Die Polizei greift hart durch. Die neue US-Regierung kritisiert das scharf.
Bei neuen Demonstrationen in Russland für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny und gegen Präsident Wladimir Putin sind bis zum Sonntagnachmittag Menschenrechtlern zufolge mehr als 5000 Menschen festgenommen worden. Das Portal Owd-Info listete allein für die Hauptstadt Moskau zunächst mehr als 1500 Festnahmen auf. Es wurde mit weiter steigenden Zahlen gerechnet. Mehr als 860 Festnahmen listete das Portal für St. Petersburg im Norden des Landes auf. In mehr als 50 Städten wurden demnach Festnahmen registriert.
Dabei gingen die Sicherheitskräfte in schwerer Montur mitunter brutal vor. In der Millionenmetropole St. Petersburg setzte die Polizei Berichten zufolge Tränengas und Elektroschocker ein. Ein Beamter drohte mit seiner Waffe. Fotos aus Kasan an der Wolga etwa 700 Kilometer östlich von Moskau zeigten mehrere Demonstranten, die sich vor Polizisten an einer Hauswand in den Schnee legen mussten.
Die Journalistengewerkschaft sprach von zunächst 50 festgenommenen Medienvertretern. Sie seien in Polizeigewahrsam gekommen, obwohl sie sich hätten ausweisen können. Nach Angaben von Nawalnys Team gab es am Sonntag landesweit in rund 100 Städten Aktionen für eine Freilassung des Oppositionellen und gegen Korruption.
Die Behörden hatten prominente Vertreter von Nawalnys Team schon im Vorfeld festgenommen. Auch viele Journalisten kamen in Gewahrsam. Die Hoffnung des Machtapparats war, durch die Inhaftierung der führenden Köpfe der Opposition die Proteste zum Erliegen zu bringen. Die Menschen protestierten trotzdem.
Nawalny war vor genau zwei Wochen direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland an einem Moskauer Flughafen verhaftet worden, wo er sich fünf Monate lang von einem Giftanschlag erholt hatte. Der 44-Jährige macht Präsident Wladimir Putin und den Inlandsgeheimdienst FSB für das Verbrechen verantwortlich. Putin und der FSB wissen das zurück.
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USA verurteilen „brutale Taktik“
Die US-Regierung kritisierte das harte Vorgehen der russischen Behörden scharf . „Die USA verurteilen die anhaltende Anwendung brutaler Taktiken gegen friedliche Demonstranten und Journalisten durch die russischen Behörden in der zweiten Woche in Folge“, teilte US-Außenminister Antony Blinken auf Twitter mit. „Wir erneuern unseren Aufruf an Russland, diejenigen freizulassen, die wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte inhaftiert sind, einschließlich Alexej Nawalny.“
Das russische Außenministerium warf den USA eine Einmischung in innere Angelegenheiten vor. Die US-Botschaft in Moskau hatte zuvor genaue Treffpunkte und Uhrzeiten von Demonstrationen aufgelistet. Washington fördere nicht genehmigte Proteste und wolle so versuchen, Russland „im Zaum zu halten“, schrieb das Ministerium bei Facebook.
Nawalny-Ehefrau Julia in Moskau festgenommen
In Moskau wurde erneut auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja festgenommen. Sie kam erst am Abend wieder auf freien Fuß. Die 44-Jährige hatte zuvor bei Instagram ein Foto von sich auf der Straße veröffentlicht. In einem weiteren Eintrag mit einem Familienfoto kritisierte sie, dass ihr Mann inhaftiert sei, weil er es gewagt habe, den Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok zu überleben.
Zudem beklagte Nawalnaja, dass Alexejs Bruder Oleg Nawalny als „Geisel“ in Haft genommen worden sei. „Wenn wir schweigen, dann holen sie morgen jeden von uns.“ Sie warf dem Präsidenten Putin vor, nach Belieben das Schicksal von Menschen zu bestimmen - er entscheide, „wer eingesperrt, wer vergiftet wird“. Bei Nawalnajas Festnahme kritisierten Unterstützer, dass sie willkürlich von der Polizei abgeführt wurde, wie der Internet-Kanal Doschd zeigte.
In Moskau versammelten sich nach einer Sperrung der Innenstadt an verschiedenen Punkten Menschen, die Protestzüge bildeten. Ein Zug mit Tausenden zog zum Moskauer Untersuchungsgefängnis Nummer eins - der im Volksmund so bezeichneten Matrosenstille. Dort sitzt Nawalny in Haft.
Die Sicherheitskräfte hatten die Zufahrten zum Gefängnis gesperrt. Der Ort galt als der am stärksten bewachte in Moskau. In der vergangenen Woche gab es an dem Gefängnis Proteste und zahlreiche Festnahmen. Nawalnys Team, das die Proteste teils über die sozialen Netzwerke steuerte, erklärte, dass Nawalny die Rufe seiner Unterstützer in seiner Zelle hören solle. Viele Menschen riefen: „Freiheit für die politischen Gefangenen!“ und „Freiheit für Alexej Nawalny!“. (dpa)